Barkenberg. Anwohner ärgern sich. Der Grund: Schrottimmobilien in Barkenberg. Direkt neben ihren Wohnquartieren. Seit Jahren gehören sie zum Bild des Ortes hinzu – und sind doch den meisten ein Dorn im Auge.
„Dubiose Eigentümerstrukturen, Pech und Pleiten von nicht vertrauenswürdigen Banken und eine Stadtspitze, die vertröstet, führten unter anderem zu dieser Misere“, meint Swen Coralic vom SPD-Ortsverein Wulfen.
Schrottimmobilien abreißen
Er kam mit zahlreichen Anwohnern ins Gespräch: „Die Menschen, die in den Wohnquartieren leben, sind genervt und haben genug. Viele möchten die Schandflecken lieber gestern als heute abgerissen sehen“, betont er. Gemeint sind hier zum Beispiel das Habiflex in der Jägerstraße und auch der Wulfener Markt. Mit einem Antrag macht die SPD nun Druck.

Jan Kolloczek und Swen Coralic der SPD, haben mehrfach in Gremien auf den Missstand hingewiesen. Einen Teilerfolg erzielten sie mit dem Abriss der im Volksmund bekannten „Tropfsteinhöhle“ vor dem Handwerkshof. Gebäude in der Barkenberger Allee, wo sich Schimmel bildete, wurden ihnen zufolge für Bewohner in unmittelbaren Umgebung zur Gefahr.

„Auch dank der Initiative, dem Druck der Wulfener Genossen, wurden diese Schrottimmobilien abgerissen“, ergänzt Coralic. „Jetzt entsteht in unmittelbarer Nähe auf einer der Flächen ein innovatives, zukunftsweisendes Projekt“. Von Bürgern für Bürger, die sich zusammengeschlossen haben.
Baustein der Stadtentwicklung
Sie wollen in einer Genossenschaft mit einem hiesigen Architektenbüro qualitativen, guten und vor allem bezahlbaren Wohnraum schaffen. Auch Jan Kolloczek ist sich sicher: „Es ist ein Projekt mit Vorbildcharakter, das nur aufgrund des bürgerlichen Engagements und Druck auf die Stadt realisiert werden kann“.
So werden die Ideen nicht vom Winde verweht, sondern zeitnah umgesetzt. Ansatz ist der, dass eine moderne und bürgernahe Perspektive auf die Stadtentwicklung möglich werde. „Menschen möchten bezahlbaren, guten Wohnraum und nicht einzig ein Renditeobjekt“, erklärt auch Elsbeth Kolloczek.
Vielfältige Wohngemeinschaft
Andere Orte machen vor, wie Wohnungspolitik ohne Schrottimmobilien funktionieren könne. Auch Dorsten brauche einen solchen Ansatz als wichtigen Baustein der Stadtentwicklung. „Viele Menschen in Barkenberg erinnern sich sehr gut an die Zeit der Dorstener Wohnungsgesellschaft“, meint Swen Coralic.
Neubau gepaart mit konsequenter Sozialpolitik habe sich bewährt. Mithilfe von Fördermitteln für sozialen Wohnungsbau sei es sogar finanzierbar. „Viele Kommunen beweisen das. Beispielsweise durch Häuserreihen, in denen sowohl Arbeiter als auch Ärzte leben“. So prägen vielschichtige Wohngemeinschaften das Bild.
Stadt soll unabhängig bleiben
Die SPD fordert, dass die Stadt Dorsten diese Immobilien und Flächen erwerben solle und somit selbst das Zepter in der Hand halte. „So ist die Stadt unabhängig von Investoren. Sie kann ihre eigenen Interessen verwirklichen“, erklärt Fraktionsvorsitzender Friedhelm Fragemann. Ideen seien zahlreich vorhanden.

Foto: Marie-Therese Gewert
Die Sozialdemokraten fordern geschlossen den Erwerb, Abriss und die Neugestaltung des Wulfener Markts. Die Fläche sei ein „Filetstück“, da in unmittelbarer Nähe Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte, Naherholung durch den See und die Sportvereine, Kindergärten sowie eine Grund- und Gesamtschule vorhanden seien. „Der Ort ist ideal, um ein städtebauliches Paradies zu schaffen“, meint auch Fragemann weiter, der den Antrag der SPD beim Bürgermeister einreicht.
Wegen Schrottimmobilien den Dialog mit den Bürgern führen
Auf einer Bürgerversammlung ist neben bisher schon bekannten Ideen, eine weitere interessante Idee geboren worden: Auf einem Teil der Fläche könnte nach dem Vorbild von Kamp-Lintfort ein akademischer Campus entstehen. Eine Fachhochschule oder eine bestehende Universität mit einer Dependance Lösung könnte sich hier ansiedeln und ein Wissenschaftszentrum schaffen. „Wie gemacht für den umliegenden Industriestandort“, erklärt Swen Coralic.
Das Vorbild in Kamp-Lintfort: Hier ist auf einer alten Zechenfläche ein moderner, zukunftsweisender Campus entstanden – die Hochschule Rhein-Waal. „Von überall auf der Welt kommen junge, talentierte Menschen, um dort zu studieren“.
Bereicherung statt Schrottimmobilien
Wäre das in Wulfen-Barkenberg möglich, würden sicher viele Akademiker in der Region bleiben und dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Ein Campus hätte eine Signal- und Sogwirkung: „Es wäre eine Bereicherung – nicht nur für Wulfen, sondern für ganz Dorsten. Ein moderner Campus ist ein Symbol für die Zukunft, für den Wandel von der Schließung der Zechen gebeutelten Region“.
Eine solche Entwicklung könne auch für das „Habiflex“ ins Auge gefasst werden. „Das Gebäude ist augenscheinlich baufällig. Damit niemand ins Gebäude eintreten kann, wurden sogar die Eingänge zubetoniert.“
Die SPD könne sich auch einen unabhängigen Gestaltungsbeirat vorstellen, der die Stadt berät. Mit Fachkräften und Bürgern. Gemeinsam im Prozess und im Dialog für Ideen, die die Zukunft prägen, um eine Win-Win-Situation für alle Seiten zu erzielen.
Info zum Habiflex-Gebäude
1975 gebaut, bestand das Habiflex-Bauwerk aus 40 Eigentumswohnungen, die sich um einen offenen Innenhof gruppieren. Das Habiflex war als experimentelles Wohngebäude in der Neuen Stadt Barkenberg gedacht, finanziert aus Fördermitteln des Bundes. Bewohner veränderten unter anderem die Wohnungsgrundrisse durch verschiebbare Wände.
Das Konzept des Habiflex galt als innovativ und wurde vom Spiegel 1975 als Beispiel für zukunftsweisenden Wohnungsbau gefeiert und beim Bundeswettbewerb „Flexible Grundrisse“ prämiert. Allerdings versprach der Entwurf mehr als die Realität.
Denn gerade durch die Flexibilität kam es zu baukonstruktiven und bauphysikalischen Mängeln. Schnell wurde der Bau vernachlässigt. Leerstand folgte. Nach einem Sperrmüllbrand wurde 2007 zum ersten Mal der Brandschutz überprüft und der war quasi nicht vorhanden. Seither gilt das Haus offiziell als unbewohnbar und verfällt allmählich. 2008 zogen die letzten Bewohner aus und mittlerweile erobert sich die Natur das Gebäude zurück. Infos entnommen aus dem Archiv unter https://bigbeautifulbuildings.de/objekte/habiflex
Die Stadt Wulfen wollte das Gebäude 2000 sogar unter Denkmalschutz stellen. Doch dieser Vorschlag fand keine Mehrheit im Rat. Die Immobilie wechselte oft den Besitzer. Während ein Teil der Wohnungen modernisiert wurde, verfiel ein anderer Teil weiterhin. Ein Käufer, der das Habiflex Anfang der 2000er Jahre bei einer Zwangsversteigerung kaufte, ließ die Immobilie in Eigentumswohnungen umwandeln und bot diese dann für rund 145.000 Euro als Kapitalanlage an.
Laut Immobilien-Zeitung waren bis 2007 nicht einmal die Hälfte der 40 Wohnungen verkauft und bewohnt. Das letzte Mal tauchte das Habiflex laut Bericht im März 2016 bei Immobilienscout24 auf. Zu einem Spottpreis von 1 Euro. Weitere Infos auch unter Wulfen-Wiki.