Teil 1: Corona, Ruhepole und der Privatmensch
Teil 2: Schwarze Null, Nachhaltigkeit und der Bürgermeister
Dorsten-Online spricht mit dem Bürgermeister über das abgelaufene Jahr und wagt einen Ausblick auf 2022 – über den ausgeglichenen Haushalt, bessere Bildungschancen, Mobilität, Klimaschutz und auch den Privatmenschen Tobias Stockhoff.

Herr Stockhoff, ein weiteres schwieriges Corona-Jahr liegt hinter uns. Dennoch, oder vielleicht gerade trotzdem: Was war in 2021 Ihr persönliches Highlight als Bürgermeister?
Tatsächlich berührt haben mich die Menschen in dieser Stadt, die es trotz Corona geschafft haben, kulturelles und sportliches Leben möglich zu machen. Dafür gab es unzählig viele Beispiele: Kunstausstellungen, Fußballspiele, Jugendarbeit, Schützenvereine, Theaterstücke in Kindergärten. Quer durch die Bürgerschaft gab es wahnsinnig viele Bemühungen, gemeinschaftliche Aktivitäten auf die Beine zu stellen. Zwar immer mit der Schwierigkeit, die notwendigen Hygienemaßnahmen einzuhalten. Aber beeindruckt hat mich da ein ums andere Mal die Herzenswärme, die als Motivation diente. Da wurde nicht gemeckert, sondern einfach gemacht, um anderen eine Freude zu bereiten.
Und die andere Seite der Medaille? Wie viele Momente gab es, in denen sie persönlich enttäuscht waren, in denen sie vielleicht die Brocken hinschmeißen wollten?
Hinschmeißen? Keinen einzigen. In den letzten über sieben Jahren habe ich es nicht einmal bereut, Bürgermeister zu sein. Es ist ein bisschen wie in der Schule. Manche Fächer mag man mehr, manche weniger. Bei den erstgenannten tankt man Energie und Kraft für die anderen. Aber das ist wohl in jedem Beruf so.
Aber in wohl jedem Beruf hat sich durch Corona etwas verändert?
In meinem Gott sei Dank nicht so viel. Zumindest was das Arbeitsvolumen angeht. Ich bin dankbar, dass ich immer was zu tun hatte. Die Beschäftigung hat gutgetan, gerade im Lockdown. Ich habe mich manchmal gefragt, was wohl wäre, wenn ich meiner Beschäftigung nicht mehr in der gewohnten Form nachkommen könnte. Mein Arbeitsalltag lief wesentlich mehr über Videokonferenzen und Telefonate. Mir ist in der Zeit aufgefallen, dass auf Distanz oft ein anderer Ton herrscht, als im persönlichen Gespräch. Die Menschen waren und sind allgemein gereizter.
Sie auch?
(lacht)… Da kann ich mich nicht ausnehmen. Das wird mein Büro bestätigen können.
Eine Gereiztheit, die Sie auch im privaten Umfeld erlebt haben?
Das konnte, glaub’ ich, jeder beobachten, spätestens im Bekanntenkreis. Ich habe dabei allerdings größte Hochachtung vor Menschen, die Mehrfachbelastungen unter einen Hut bringen mussten: Home-Office, Home-Schooling und den normalen Alltag.
Wie kompensiert der Bürgermeister seinen Stress? Wo holen Sie sich Ruhe und Kraft?
In erster Linie bei meiner Freundin und meiner Familie. Ich war aber auch noch nie so viel Spazieren wie in 2021. Es waren wohl so an die 50, 60 Spaziergänge, bis hin zu stundenlangen, ausgedehnten Wanderungen. Ein fixer Ruhepol ist für mich außerdem der wöchentliche Kirchgang. Da ist das Handy aus und ich kann über mich selbst und mein Verhältnis zu anderen Menschen nachdenken.
Auch darüber, was das Bürgermeisteramt mit dem Privatmenschen Tobias Stockhoff macht? Müssen Sie manchmal auch über den eigenen Schatten springen, gegen die eigene Überzeugung handeln?
Es gibt zumindest Situationen, da muss man sich für das kleinere Übel entscheiden. Zum Beispiel bei Schulschließungen. Welche trifft es, welche bleibt erhalten? Oder bei der Frage, wem man einen Zuschuss gewährt und wem nicht. Einem anderen darf ich rechtlich keine Baugenehmigung erteilen, obwohl er es menschlich und logisch verdient hätte. Es ist wie beim Schiedsrichter: Ich muss Regeln anwenden, die nicht allen zu 100 Prozent gerecht werden können. Nicht umsonst heißt es ja auch ,nach bestem Wissen und Gewissen handeln‘. Am Ende zählt nicht immer nur die faktische Entscheidung, sondern der ernsthafte gute Wille, die richtige zu treffen. Das verzeiht dann auch mal Fehler. Am Ende muss ich am Morgen danach noch in den Spiegel gucken können.
Im Gegensatz zu manch Amtskollegen ist über Ihr Privatleben recht wenig bekannt. Warum?
Die Menschen wählen keine Familie, sondern die oder den Bürgermeister*in. Außerdem kann das Amt für die Familie auch eine Bürde sein. Ich wollte von vornherein distanziert damit umgehen, um Familiäres und Privates auf der einen Seite und Dienstliches auf der anderen besser trennen zu können. Persönliche Einblicke, wie ich als Mensch ticke, das ist das eine. Aber Freundin und Privates gehören nicht in die Öffentlichkeit.
Aber ist Ihre Freundin nicht auch ein bisschen mit Bürgermeisterin?
Als Ratgeberin mit Sicherheit. Und auch bei offiziellen Terminen ist sie manchmal dabei. Bei welchen, entscheidet sie selbst. Damit haben wir bisher gute Erfahrung gemacht.
Wie verbringt Tobias Stockhoff Silvester?
Zu Hause mit meiner Freundin. Wir waren noch nie große Silvesterpartygänger. Es ist für uns persönlich also keine Einschränkung.
Den zweiten Teil des Jahresinterviews mit Bürgermeister Tobias Stockhoff „Schwarze Null, Nachhaltigkeit und der Bürgermeister“ lesen Sie hier nach Neujahr.