Mit einem außergewöhnlichen Radioprojekt belebte der WDR in der vergangenen Woche den Unterricht in der vierten Klasse der Wilhelm-Lehmbruck-Schule. Dank der engagierten Moderatorin Insa Backe war es aber viel mehr als nur Unterhaltung.
Eigene Radiogeschichten gestalten, ein Blick hinter die Kulissen der Medien zu werfen, und die eigene Stimme im Radio zu hören – all das wurde für die Viertklässler in Östrich möglich. WDR-Moderatorin Insa Backe war eine Woche lang in der Klasse von Britta Baltz zu Besuch, und brachte ganz viele spannende Informationen für die Kinder mit. So lernten die Mädchen und Jungen zum Beispiel nicht nur, dass Insas Mikrofon „Hans-Günter-Friedrich“ heißt, sondern auch wie man selber Nachrichten auswertet und kurze Meldungen schreibt. Dann durften sie auch selbst vor das Aufnahmegerät und kurze Beiträge einsprechen, die dann abends auch im WDR gesendet wurden.
Allein das wäre schon genug Abwechslung für eine spannende Schulwoche gewesen, an die man sich gerne erinnert. Doch mit Insa Backe hatte der KiRaKa nicht nur eine erfahrene Reporterin geschickt, sondern vor allem auch einen Menschen, der für sein Anliegen mit Herz und Seele brennt. „Moderne Medien sind Fluch und Segen zugleich für unsere Kinder“, erklärt Backe, „und man mag sich kaum vorstellen, was nicht erst seit der Pandemie an den Schulen los ist.“
Ein Blick in den Abgrund
Als die Kinder in der Pause sind, kann Insa offen sprechen. Ihre Erfahrungen, die sie an Schulen überall im Land gesammelt hat, sind schonungslos und erschreckend. Sie berichtet von Kindern, die von Klassenkameraden im Internet bloßgestellt und erniedrigt werden. Von brutaler Pornografie und Aufnahmen echter Morde auf den Smartphones von Grundschülern. Von Kindern, die Kinder vergewaltigen und diese Taten filmen und verbreiten. Von pubertierenden Jugendlichen, die Altersgenossen in den Selbstmord mobben. Von Kindern, die im Unterricht weinend zusammenbrechen. Von Hass, Rassismus und Sexismus, der aus dem Internet in die Kinderseelen schwappt. Dabei berichtet sie von einigen Fällen, die ihr persönlich bei ihrer Arbeit begegnet sind, und schon beim Zuhören dreht sich einem der Magen um. Und das Schlimmste ist ihre Erkenntnis: „An jeder Schule begegnen mir solche Erfahrungen. Selbst dort, wo man denkt, hier sei Bullerbü.“
Die Macht der Geheimnisse
Mit ihrer Arbeit will Insa Backe vom KiRaKa dagegen kämpfen. Sie tut das engagiert und kindgerecht, kennt jedes Kind in der Klasse beim Namen. Als die Grundschüler wieder im Raum sind, erzählt die Moderatorin davon, dass es dunkle und helle Geheimnisse gibt. „Helle Geheimnisse, das ist zum Beispiel, dass ihr nicht verratet, was jemand zum Geburtstag bekommt“, erklärt sie.
„Aber es gibt auch dunkle Geheimnisse.“ Solche, die weh tun. Die Angst machen, bei denen man glaubt, mit niemanden darüber sprechen zu können. „Wenn euch jemand sagt, ihr dürft es keinem verraten, sonst würde etwas schlimmes passieren, dann will er Macht über euch“, erklärt Insa. „Nehmt ihm diese Macht weg. Erzählt es jemandem.“

Die Macht der Fake News
Macht – das ist auch eine wichtige Motivation bei manipulativen Falschnachrichten, sogenannten Fake News. Als Beispiel zeigt Insa den Kindern einen echten Bericht aus dem Internet. Zu sehen ist ein Mann mit Rettungsweste und Sonnenbrille, der als Beifahrer auf einem Jetski in die Kamera winkt. Der Bericht behauptet, Banden würden jetzt für viel Geld Flüchtlinge einzeln über das Mittelmehr kutschieren.
Ein Riesenskandal – nur dass daran kein Wort stimmt. Der „Flüchtling“ ist der millionenschwere Fußballer Lukas Podolski auf einem Ausflug mit einem Mitarbeiter – und die angebliche Internetzeitung das rechtsradikale Medienunternehmen Breitbart. „Eine Lüge, die sich als Wahrheit verkleidet“, das sei Fake News, erklärt Insa den Kindern. „Damit wollen die Urheber Geld verdienen, und eure Gedanken verbiegen.“
„Mund halten, Kopf einschalten“ sagt Insa
Wie leicht man Fehlinformationen auf dem Leim gehen kann, zeigt sie an einem Beispiel und ruft Horst „Hotte“ Storb nach vorne. Die Kinder sollen jetzt raten, wie alt er ist, was er beruflich oder im Hobby so tut, oder was seine Leibspeise ist. Schnell ist Hotte ein 66 Jahre alter boxender Journalist, der Grünkohl und Vanillepudding mag. Etwas später sollen die Kinder noch einmal raten, und auf einmal merken sie, dass sie viele falsche Grundannahmen einfach übernommen haben.
„Ihr dachtet, Hotte wäre Reporter, weil er mit mir in den Raum gekommen ist“, erklärt Insa. „Dabei hatte ich das nie gesagt. Das waren also Fake News.“ Auch das Boxen, der Grünkohl und der Vanillepudding entpuppen sich als Fehlannahmen. Und dann zieht Hotte seine Dienstjacke an. „Du bist Polizist?“ wundern sich die Kinder. Und lernen, dass der äußere Anschein eines Menschen sehr oft trügerisch ist. „Mund halten, Kopf einschalten“, dass man das bei der Beurteilung von Nachrichten wie auch Menschen tun sollte, haben die Schüler nun gelernt.

So war es eine Woche mit dem KiRaKa, die den Kindern sehr viel Spaß gemacht hat, aber auch nachdenklich machte. Denn viel zu oft sind es auch die Erwachsenen, die zu leichtfertig mit den neuen Medien umgehen und die Sorgen ihrer Kinder nicht immer rechtzeitig erkennen. Projekte wie die von Insa Backe helfen vielleicht dabei, die nächste Generation weniger verwundbar zu machen.
Link-Tipp:
Mehr zum KiRaKa gibt es auf der offiziellen Homepage