„Ich hatte mich ein bisschen davor gefürchtet“, gab Detlef Lichtrauter zu, als er am vergangenen Wochenende ans Rednerpult trat. Mit diesen Gefühlen war er nicht allein. Rund 120 ehemalige Verschickungskinder hatten den Weg in den Treffpunkt Altstadt gefunden.
Es war eine sehr bewegende Zusammenkunft, als der Verein „Aufarbeitung Kinderverschickungen NRW e.V.“ zum Begegnungstag in den Treffpunkt Altstadt geladen hatte. „Es wurde viel geweint“, erzählt Detlef Lichtrauter, „aber dennoch haben wir vor allem das Positive in den Vordergrund gestellt.“
Begrüßt wurden die Teilnehmer auch von der stellvertretenden Bürgermeisterin Christel Brief. Als junge Erwachsene hatte sie auf der Nordseeinsel Langeoog als Zimmermädchen gearbeitet. Nun ist ihr klar geworden, dass die „Kinderinsel“ einer der „Tatorte“ war. Sie wünschte den Betroffenen, aus diesem besonderen Tag mit gestärkter Resilienz und „seelischer Widerstandskraft« hervorzugehen.
Der Begegnungstag war ehemaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmern von Kinderverschickungen gewidmet. Als Kinder sandte man sie in der Zeit zwischen 1950 bis 1990 in sogenannte Kurheime, wo viele von ihnen Gewalt und Erniedrigung erfahren mussten. Noch heute leiden sie daher unter Ängsten und seelischen Wunden. Deswegen ist die Überwindung oft sehr groß, sich seinen Ängsten zu stellen. Das konnte man auch an diesem Tag erleben. „Wir hatten eine Besucherin, die im Türrahmen stehengeblieben ist“, erzählt Detlef Lichtrauter. „Meine Frau musste sie mit viel Zureden Schritt für Schritt herein begleiten.“
Wichtige Schritte in der Gemeinschaft
Wichtige Schritte, die sich aber lohnten. „Ich war so entspannt wie schon ganz lange nicht mehr“, berichtet eine Teilnehmerin nach der Veranstaltung. Auch Detlef Lichtrauter, der selbst als Zwölfjähriger bei einer Kinderverschickung schwer traumatisiert wurde, fühlt sich nach dem Begegnungstag erleichtert. „Es hört sich nach einer Floskel an, aber ich meine es genau so: Der Tag war ein voller Erfolg“, strahlt der Vorsitzende des Vereins „Aufarbeitung Kinderverschickungen NRW e.V.“. Nachdem es anfangs rund 50 Anmeldungen gegeben hatte, waren am Ende 120 Menschen erschienen. Teilweise kamen die ehemaligen Verschickungskinder von weit her, etwa aus Cuxhaven oder Hessen. „Von den 120 Teilnehmern nahmen auch 103 an unseren Workshops teil“, freut sich Lichtrauter.
Durch diese positiven Gemeinschaftserlebnisse wurde es dann auch eine gelungene Veranstaltung, die die Organisatoren gerne wiederholen möchten. „Wir können uns sehr gut vorstellen, dass Dorsten ein fester Ort für unsere Begegnungen wird“, erklärt Detlef Lichtrauter.