Im Vorfeld der anstehenden Papstwahl rücken zentrale Themen der katholischen Kirche erneut in den Fokus. Welche inhaltlichen Weichenstellungen ein neuer Papst vornehmen könnte, ist Gegenstand intensiver Debatten – sowohl auf globaler Ebene als auch innerhalb der deutschen Kirche.
Im Interview spricht Petra Bosse mit David Rikels, Präventionsfachkraft und Gemeindejugendpfleger der katholischen Kirchengemeinde St. Matthäus Wulfen, über die Erwartungen an die anstehende Papstwahl. Thematisiert werden mögliche Reformen, globale Herausforderungen und die Rolle der Kirche in Deutschland.
Wie geht es weiter mit den Reformen?
Welche Themen dürften Ihrer Einschätzung nach bei der Wahl des neuen Papstes im Mittelpunkt stehen?
David Rikels: Unter Papst Franziskus hat das Thema Synodalität (also eine verstärkte Beteiligung der Bischöfe und Gläubigen an der Entscheidungsfindung) große Bedeutung gewonnen. Ein neuer Papst könnte entscheiden, inwieweit diese Reformen fortgeführt oder neu ausgerichtet werden.
Die Aufarbeitung der sexuellen Missbrauchsskandale in der Kirche bleibt ein äußerst drängendes Thema. Ein neuer Papst wird vermutlich den fortlaufenden Umgang mit Opfern, die rechtliche Aufarbeitung und die Prävention von Missbrauch stärker in den Fokus stellen müssen.
Papst Franziskus hat sich stark für soziale Gerechtigkeit, die Bekämpfung von Armut und für den Umweltschutz eingesetzt. Ein neuer Papst könnte diese Themen fortführen oder neue Schwerpunkte setzen, etwa in Bezug auf die Bekämpfung von Ungleichheiten oder die Unterstützung von Migranten und Flüchtlingen.
Innerhalb der Kirche gibt es immer wieder Diskussionen über Lehre und Moral. Themen wie die Rolle der Frau in der Kirche, die Haltung zu Homosexualität, Sexualmoral oder Verhütung könnten weiterhin eine Rolle spielen und das Papsttum prägen.

Papst-Kandidaten aus aller Welt
Gibt es Stimmen innerhalb der Kirche, die bestimmte Kandidaten oder Regionen (z. B. Afrika, Asien, Lateinamerika) stärker in den Fokus rücken?
David Rikels: Ich bin mir nicht ganz sicher, welche Region mit den damit verbundenen Themen besonders in den Fokus genommen werden sollte. Es gibt sicherlich wichtige Stimmen innerhalb der Kirche, die sich für eine stärkere Berücksichtigung von Afrika, Asien oder Lateinamerika einsetzen, weil dort das Christentum stark wächst und soziale Herausforderungen besonders groß sind.
Trotzdem denke ich, dass auch Europa nicht aus dem Blick geraten sollte. Hier ist die Kirche stark unter Druck: Viele Menschen wenden sich ab, die Kirchenmitgliedszahlen sinken, und der Glaube verliert für viele an Bedeutung. Vielleicht wäre es gerade deshalb wichtig, Europa wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken, um neue Wege der Glaubensvermittlung und der gesellschaftlichen Relevanz zu finden.
Wunsch nach einer menschlicheren Kirche
Wie wird das aktuelle Pontifikat rückblickend innerhalb der deutschen Kirche bewertet?
David Rikels: Ich finde, dass das Pontifikat von Papst Franziskus in der deutschen Kirche sehr gemischt bewertet wird. Viele Menschen – mich eingeschlossen – schätzen seinen Einsatz für soziale Gerechtigkeit, den Klimaschutz und eine offenere, menschlichere Kirche. Sein Stil wirkt auf mich sehr nahbar und glaubwürdig, weil er sich wirklich für die Menschen interessiert und nicht nur von oben herab spricht.
Aber ich merke auch, dass es bei manchen Themen Frust gibt – vor allem, wenn es um konkrete Reformen geht. In Deutschland wünschen sich viele in der Kirche mehr Veränderung, zum Beispiel bei der Rolle der Frauen oder beim Umgang mit Macht und Strukturen. Da ist Papst Franziskus für einige vielleicht nicht konsequent genug. Trotzdem sehe ich sein Pontifikat insgesamt eher positiv – vor allem, weil er wichtige Themen überhaupt erst angestoßen hat.
Mögliche Veränderungen unter einem neuen Papst
Sehen Sie Chancen auf strukturelle Veränderungen, etwa im Hinblick auf den Umgang mit Reformanliegen?
David Rikels: Ich sehe durchaus Chancen auf strukturelle Veränderungen, auch wenn der Weg dorthin sicher nicht einfach ist. Gerade durch den Synodalen Weg in Deutschland wurden viele wichtige Reformanliegen offen angesprochen – etwa die Rolle der Frauen, der Umgang mit Macht oder auch die Sexualmoral der Kirche. Ich habe das Gefühl, dass sich da etwas bewegt, auch wenn es oft langsam und zäh vorangeht.
Natürlich stößt das nicht überall auf Zustimmung, vor allem im weltweiten Vergleich. Aber ich glaube, dass der Druck von innen – also von Gläubigen, Gemeinden und engagierten Menschen – weiterwachsen wird. Und das könnte langfristig echte Veränderungen anstoßen. Ich bin vorsichtig optimistisch.
„Welche Wünsche und Erwartungen nehmen Sie aktuell im kirchlichen Umfeld in Bezug auf die Papstwahl wahr?“
David Rikels: In meinem kirchlichen Umfeld nehme ich wahr, dass viele sich einen Papst wünschen, der den Kurs von Franziskus fortsetzt – also einen, der offen, dialogbereit und nah an den Menschen ist. Es gibt das Bedürfnis nach jemandem, der Mut zu Reformen hat, aber gleichzeitig auch die Einheit der Weltkirche im Blick behält. Besonders in Deutschland hoffen viele darauf, dass der neue Papst den Reformprozess nicht abbremst, sondern eher begleitet oder sogar weiter öffnet.