Die historische Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des früheren Bürgermeisters und Ehrenbürgers Paul Schürholz hat am Dienstagabend im Ratssaal des Dorstener Rathauses für große Aufmerksamkeit und intensive Diskussionen gesorgt. Die Historiker Hans-Jochen Schräjahr und Dr. Josef Ulfkotte präsentierten im Rahmen eines Vortrags die Ergebnisse ihrer umfangreichen Recherchen, die im Auftrag des Stadtrats durchgeführt wurden.
Bereits in den 1980er-Jahren hatte die Forschungsgruppe „Dorsten unterm Hakenkreuz“ erste Hinweise auf Schürholz Rolle während des Nationalsozialismus gefunden, jedoch blieben viele Fragen offen. 2023 initiierte die Bürgerschaft eine erneute Untersuchung, woraufhin der Stadtrat den Historikern den offiziellen Auftrag erteilte. Parallel stellte die Ratsfraktion „Fraktion feat. Die Linke“ einen Antrag auf Aberkennung von Schürholz Ehrenbürgerschaft. Die politischen Konsequenzen dieser Forschung sollen in der kommenden Ratssitzung im Februar diskutiert werden.
Die Rolle Schürholz‘ im Nationalsozialismus

Die Untersuchung von Schräjahr und Dr. Ulfkotte ergab, dass Schürholz 1937 der NSDAP beitrat und sich den politischen Verhältnissen nach 1933 anpasste. Als Kaufmann und Interessenvertreter im Stadtrat trat er mehreren NS-Organisationen bei und unterstützte aktiv die nationalsozialistische Politik vor Ort. Besonders in wirtschaftlichen Kreisen konnte er so seinen Einfluss stärken. Die Forscher stellten jedoch klar, dass keine Belege für eine antisemitische Haltung oder eine Bereicherung an jüdischem Eigentum vorliegen. „Eine rassistische oder antisemitische Haltung kann ihm ebenso wenig unterstellt werden, wie eine Bereicherung an jüdischem Eigentum, sowie eine aktive Beteiligung an den Verbrechen der Nationalsozialisten,“so trägt es Dr. Ulfkotte zum Schluss vor.

Nach 1945 distanzierte sich Schürholz von seiner Rolle während der NS-Zeit und verdrängte seine frühere aktive Mitwirkung. Sein persönlicher Nachlass, der 2023 an das Stadtarchiv übergeben wurde, enthält keine Dokumente aus der Zeit des Nationalsozialismus. „Sondern vornehmlich solche, die der Amtszeit von Paul Schürholz als Bürgermeister der Stadt Dorsten bis 1964 zuzuordnen sind“, so Dr. Ulfkotte im Schlussfazit.
Reaktionen und politische Bewertung
Bürgermeister Tobias Stockhoff bedankte sich bei den Historikern für ihre umfassende Aufarbeitung und betonte, dass der Fall Schürholz exemplarisch für den Umgang der jungen Bundesrepublik mit der NS-Vergangenheit stehe. Er hob hervor, dass andere Städte bereits Ehrenbürgerschaften posthum aberkannt hätten, dies jedoch auch verwaltungsrechtliche Herausforderungen mit sich bringe.

Stockhoff plädierte dafür, den aktuellen Weg der intensiven Auseinandersetzung mit der Stadtgeschichte fortzusetzen: „Es ist wichtig, nicht nur eine symbolische Entscheidung zu treffen, sondern uns aktiv mit unserer Vergangenheit auseinanderzusetzen.“

Der Vortrag endete mit einer offenen Diskussion, in der zahlreiche Anwesende Fragen stellten und ihre Einschätzungen teilten. Auch online verfolgten viele Interessierte die Veranstaltung über den YouTube-Kanal der Stadt Dorsten. Den Video zum Vortrag gibt es hier:
Wie geht es weiter?
Die Diskussion über die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft wird voraussichtlich in der Ratssitzung im Februar oder März weitergeführt. Unabhängig vom politischen Beschluss bleibt die historische Aufarbeitung ein bedeutender Schritt in der Erinnerungskultur der Stadt Dorsten.
