Immer wieder wird die Frage gestellt: Warum halten sich Weidetierhalter keine Herdenschutzhunde? Warum sind Wolfsschutzzäune so niedrig? Manche Beobachter witzeln sogar, dass selbst kleine Hunde über diese Zäune springen könnten. Doch hinter den scheinbar niedrigen Schutzzäunen stecken gut durchdachte Konzepte, die auf rechtlichen und ökologischen Überlegungen basieren.
Zäune, die Schafe und andere Nutztiere vor Wölfen schützen sollen, müssen nämlich mehr leisten, als nur Raubtiere fernzuhalten. Gerade in Naturschutzgebieten spielt der Erhalt der natürlichen Landschaft eine entscheidende Rolle. Zu hohe Zäune könnten die Wanderungen von Wildtieren wie Rehen oder Hirschen behindern und Lebensräume zerschneiden. Daher wurde vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) ein Kompromiss gefunden: Zäune mit einer Höhe zwischen 1,20 und 1,40 Metern seien hoch genug, um Wölfe abzuwehren, aber niedrig genug, um die Durchlässigkeit der Landschaft zu bewahren. Wie sich aber aktuell zeigt, scheint diese Höhe nicht die Weidetierhalter vor Wolfsangriffen zu schützen.

Warum sind Wolfsschutzzäune so gebaut, wie sie sind?
Wolfsschutzzäune spielen eine zentrale Rolle im Schutz von Nutztieren wie Schafen und Ziegen, besonders in Regionen, in denen Wölfe wieder heimisch geworden sind. Doch diese Zäune müssen mehr als nur den Schutz der Nutztiere gewährleisten. Sie müssen gleichzeitig die natürlichen Gegebenheiten und den Naturschutz berücksichtigen. Besonders in Naturschutzgebieten gibt es strenge Regularien, die sicherstellen, dass die Zäune das ökologische Gleichgewicht nicht stören.

Warum sind die Zäune nicht höher?
Viele Menschen wundern sich, warum Wolfsschutzzäune nicht höher gebaut werden, um die Tiere besser abzuhalten. In Naturschutzgebieten in Nordrhein-Westfalen etwa darf ein Schutzzaun zwischen 1,20 und 1,40 Meter hoch sein. Diese Höhe stellt einen Kompromiss dar, der zwei zentrale Ziele verfolgt:
- Effektiver Schutz vor Wölfen: Diese Höhe sollte eigentlich ausreichen, um Wölfe fernzuhalten, wenn der Zaun korrekt errichtet und elektrifiziert ist. Wölfe sind zwar geschickt und ausdauernd, aber in den meisten Fällen nicht in der Lage, über einen Zaun dieser Höhe zu springen, besonders wenn er unter Strom steht.
- Ökologische Rücksichtnahme: Höhere Zäune könnten die natürliche Wanderung von Wildtieren behindern. Rehe, Hirsche oder Füchse bewegen sich regelmäßig auf festen Routen durch Naturschutzgebiete, um Futter oder Wasser zu finden. Zu hohe Zäune können diese Wanderwege blockieren, was die Tiere in kleineren Gebieten einsperrt und ihre Überlebenschancen einschränkt. Deshalb ist die Höhe von 1,40 Metern ein Kompromiss, der den Schutz der Nutztiere gewährleistet, ohne die natürliche Landschaft und die Wanderwege von Wildtieren zu stark zu beeinträchtigen.

Hohe Zäune und Naturschutz: Wo liegt das Problem?
Hohe Zäune mögen in bestimmten Situationen nützlich erscheinen, können aber erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt haben, vor allem in sensiblen Naturschutzgebieten. Es gibt mehrere Gründe, warum hohe Zäune dort problematisch sind:
- Beeinträchtigung der Tierwanderungen: Viele Wildtiere benötigen große, zusammenhängende Gebiete, um zu überleben. Hohe Zäune blockieren diese Bewegungen und können dazu führen, dass Tiere in bestimmten Gebieten „gefangen“ sind, was zu Nahrungsmangel oder Inzucht führen kann.
- Zerschneidung von Lebensräumen: Zäune, die über längere Strecken errichtet werden, können Lebensräume zerschneiden. Das stört das ökologische Gleichgewicht, da Tiere, die normalerweise durch eine Region ziehen, in ihrer Fortbewegung eingeschränkt werden. Das hat nicht nur für die Tiere direkte Folgen, sondern kann auch den gesamten Lebensraum beeinträchtigen.
- Ästhetische und kulturelle Auswirkungen: In Naturschutzgebieten ist das Landschaftsbild ein wichtiger Faktor, der nicht nur zur Erhaltung der Natur, sondern auch zur Erholung der Menschen beiträgt. Hohe Zäune stören dieses Bild und können den Erholungswert der Gebiete für Besucher verringern.

Wann sind höhere Zäune erlaubt?
Es gibt Situationen, in denen höhere Zäune notwendig und erlaubt sind. In Wildgehegen, zum Beispiel, sind Zäune bis zu 1,80 Meter hoch, um das Wild innerhalb des Geheges zu halten und vor Raubtieren zu schützen. Hier werden auch zusätzliche Maßnahmen ergriffen, wie ein Untergrabungsschutz, um zu verhindern, dass Raubtiere wie Wölfe sich unter dem Zaun hindurchgraben.
Auch in Gebieten mit besonders hohem Wolfsdruck können höhere Zäune notwendig werden. In solchen Fällen können Landwirte eine Genehmigung bei der unteren Naturschutzbehörde beantragen. Diese prüft, ob ein höherer Zaun gerechtfertigt ist und ob er die Umwelt in vertretbarem Maße beeinflusst.

Warum setzt nicht jeder Schäfer Herdenschutzhunde ein?
Herdenschutzhunde wie der Kangal oder der Pyrenäenberghund sind für viele Schäfer eine wirksame Lösung, um ihre Herden vor Wölfen zu schützen. Diese Hunde sind speziell darauf trainiert, Schafherden zu bewachen und Raubtiere fernzuhalten. Doch nicht für jeden Schäfer oder jede Weide sind Herdenschutzhunde die beste Option. Es gibt einige Faktoren, die gegen ihren Einsatz sprechen:
- Kleine, gut eingezäunte Flächen: Auf kleineren Flächen, die durch Zäune gut geschützt sind, sind Herdenschutzhunde oft überflüssig. Diese Hunde benötigen viel Raum, um ihre Aufgabe effektiv zu erfüllen, und könnten auf beengten Weideflächen unterfordert oder gestresst sein.
- Menschliche Aktivität: In Gebieten mit viel menschlicher Aktivität, wie Wanderwegen oder touristischen Regionen, können Herdenschutzhunde problematisch sein. Da sie darauf trainiert sind, ihre Herden zu schützen, könnten sie Menschen oder Haustiere als Bedrohung wahrnehmen und aggressiv reagieren. Das kann zu Konflikten mit Besuchern führen.
- Erfahrungs- und Zeitaufwand: Herdenschutzhunde erfordern eine sorgfältige Ausbildung und intensive Pflege. Schäfer, die nicht genug Erfahrung oder Zeit haben, diese Hunde richtig zu trainieren und zu betreuen, sollten auf ihren Einsatz verzichten. Untrainierte Hunde könnten unberechenbar sein und die Herde nicht wirksam schützen.
- Kosten: Herdenschutzhunde sind in der Anschaffung und im Unterhalt teuer. Neben den Anschaffungskosten müssen Schäfer laufende Ausgaben wie Futter, tierärztliche Versorgung und Versicherung einplanen. Diese Kosten können eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen, weshalb Zäune oder andere Schutzmaßnahmen für viele Schäfer eine günstigere Alternative darstellen.

Die Balance zwischen Naturschutz und Weidetierschutz
Die Rückkehr des Wolfs nach Deutschland hat zu neuen Herausforderungen geführt, die eine Balance zwischen dem Schutz der Nutztiere und dem Erhalt der natürlichen Umwelt erfordern. Schutzzäune und Herdenschutzhunde sind bewährte Mittel, um Weidetiere vor Wolfsangriffen zu schützen, doch sie müssen sorgfältig geplant und umgesetzt werden.
In dicht besiedelten Gebieten wie Nordrhein-Westfalen ist es besonders wichtig, dass Maßnahmen zum Schutz von Weidetieren nicht auf Kosten der Natur gehen. Naturschutzgebiete spielen eine zentrale Rolle für die Erhaltung der Biodiversität und der Landschaft. Daher müssen Schäfer, Naturschützer und Behörden gemeinsam Lösungen finden, die sowohl den Schutz der Nutztiere als auch den Erhalt der natürlichen Umgebung gewährleisten.
Fazit: Ein komplexer Kompromiss
Die Gestaltung von Wolfsschutzzäunen ist ein Balanceakt zwischen effektivem Schutz der Nutztiere und dem Erhalt der ökologischen Integrität der Landschaft. In vielen Fällen reichen Zäune von 1,20 bis 1,40 Metern aus, um Wölfe abzuwehren, während die Wanderwege von Wildtieren erhalten bleiben. In bestimmten Fällen können höhere Zäune genehmigt werden, wenn das Risiko von Wolfsangriffen besonders hoch ist.
Herdenschutzhunde sind ebenfalls ein wertvolles Mittel im Schutz der Herden, aber nicht für jeden Schäfer geeignet. Die Zukunft dieser Schutzmaßnahmen hängt stark davon ab, wie gut es gelingt, die Bedürfnisse der Weidetierhaltung, des Naturschutzes und der Wölfe miteinander in Einklang zu bringen.