Im Oktober 1874 wurde das Standesamtswesen in Preußen eingeführt – ein Gesetz zur Erfassung des Personenstandes, das erstmals die Aufgabe der Registrierung von Geburten, Eheschließungen und Sterbefällen vom kirchlichen Bereich in staatliche Hände legte. In Dorsten ermöglicht das Stadtarchiv heute den Einblick in 150 Jahre Stadtgeschichte. Bewahrt ist sie in den Personenstandsbüchern, die als Quelle für Historiker und Ahnenforscher unverzichtbar sind.
Stadtarchivar Martin Köcher, der „Hüter des historischen Gedächtnisses der Stadt“, verwaltet im Dorstener Stadtarchiv 419 Personenstandsbücher sowie 49 Registerbände und teils ergänzende Sammelakten. Die Sammlung reicht bis zur ersten Eintragung. Am 5. Oktober 1874 wurde der Geburtseintrag von Franz Josef Heidermann vom Standesamt Altschermbeck vorgenommen. Altschermbeck, das damals noch zu Dorsten gehörte, legte diesen ersten Eintrag an. Das war nur wenige Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Oktober 1874.
Vor dem Standesamt notierte die Kirche wichtige Daten
Vor Einführung des Standesamtes waren Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle ausschließlich durch Kirchen verzeichnet. Katholische Kirchengemeinden, darunter auch die aus Dorsten, verwalteten diese Aufzeichnungen in Kirchenbüchern. Heute sind diese Einträge im Bistum Münster kostenfrei online zugänglich und bieten eine wertvolle Ergänzung zur Arbeit im Standesamt.
Alle Stationen des Lebens sind hier dokumentiert
Britta Humberg, langjährige Mitarbeiterin des Dorstener Standesamtes, blickt auf über drei Jahrzehnte Erfahrung zurück. „Wie viele Geburten, Eheschließungen oder Sterbefälle ich beurkundet habe, kann ich kaum schätzen,“ erklärt sie. Dabei hat sie sogar Eheschließungen von Personen begleitet, deren Geburtseintrag sie einst selbst vorgenommen hatte. Humberg und ihre Kolleginnen begleiten die Dorstener Bürger in nahezu allen wichtigen Stationen des Lebens – von der Geburt über Heirat bis zum Sterbefall.
Einst gab es sechs Standesämter in Dorsten
Bis zur kommunalen Neuordnung im Jahr 1975 gab es in Dorsten sechs Standesämter, darunter die Standesämter Altschermbeck, Hervest-Holsterhausen, Wulfen, Lembeck und Rhade. Die Reform führte diese Stellen zusammen und stärkte das Standesamt Dorsten, das seit seiner Gründung im Jahr 1874 durchgängig besteht.
Durch das Personenstandsreformgesetz von 2009 sind viele historische Dokumente der Öffentlichkeit zugänglicher geworden. Heute kann jeder Interessierte nach Ablauf einer Schutzfrist Einsicht nehmen – zuvor war dies nur Personen mit berechtigtem Interesse erlaubt. Martin Köcher erläutert, dass vor allem Familienforscher, Nachlassgerichte und Erbenermittler die Personenstandsbücher nutzen. Auf Wunsch erstellt das Archiv auch einfache und beglaubigte Kopien der Dokumente.
Personenstandsbücher und Dokumente erlauben Blick in die Vergangenheit
Das Stadtarchiv bewahrt nicht nur die Personenstandsbücher selbst, sondern auch begleitende Unterlagen wie Aufgebote, Geburtsurkunden oder Schriftverkehr, die für eine Eheschließung nötig waren. Solche Dokumente, die Zustimmungen der Eltern oder Ehefähigkeitszeugnisse umfassen, bieten einen faszinierenden Einblick in die gesellschaftlichen Normen vergangener Zeiten.
Mit dem Standesamt von 1874 wurde ein Meilenstein in der Verwaltung von Personenstandsdaten gelegt. Die über 150-jährige Geschichte des Dorstener Standesamts ist damit ein eindrucksvolles Zeugnis für die Entwicklung der Verwaltung und eine Fundgrube für alle, die sich für die Vergangenheit der Stadt und ihrer Bürger interessieren.
Mehr Info zum Standesamt und zum Stadtarchiv
Weitere Infos zum Standesamt in Dorsten gibt es auf der offiziellen Seite. Das Stadtarchiv ist ebenfalls online zu finden und präsentiert sich auch auf Instagram unter stadtarchiv.dorsten