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22. März 1945: Tod aus dem Frühlingshimmel

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Die Dorstener Altstadt wurde am 22. März 1945 größtenteils zerstört. Foto: Archiv

In dieser Woche gedenken Dorsten und Wulfen den Bombenangriffen vom 22. März 1945. An einem klaren Frühlingstag traf es damals erst das Dorf, dann die Stadt. Hunderte Menschen starben oder wurden obdachlos.

Vor 80 Jahren wurden Dorsten und Wulfen bei alliierten Bombenangriffen schwer getroffen. Die Angriffe waren Teil einer starken Serie von Bombardierungen, die den Einmarsch der westlichen Alliierten über den Rhein ins Deutsche Reich und damit den Sieg über das Nazi-Regime vorbereiten sollten.

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In der Altstadt starben 319 Menschen

Über 100 Flugzeuge starteten am 22. März über England in den blauen Frühlingshimmel und steuerten über den Ärmelkanal auf Westdeutschland zu. Als Ziel hatte man den Besatzungen „Militärische Einrichtungen und Hauptquartiere“ genannt, die sich in Dorsten befinden sollten. Als der Bomberstrom kurz nach 14 Uhr von Norden aus auf Dorsten zudröhnte, hofften einige Beobachter noch, die Briten, Kanadier und Amerikaner würden ins Ruhrgebiet abfliegen, als sich die Bombenschächte öffneten.

Schon auf dem Foto kann man die schweren Verwüstungen erkennen, die von 377 Tonnen Bomben angerichtet worden waren. 319 Menschen fanden den Tod, 700 wurden obdachlos. Foto: Archiv

Ab 14.14 Uhr regneten fünf Minuten lang Bomben auf die Stadt herab. 377 Tonnen Sprengmaterial rissen eine Schneise in die Innenstadt, Rauch und Staub schraubten sich dabei fast zweieinhalb Kilometer hoch in die Luft. Im Bombenhagel wurden 319 Menschen getötet. Die Wohnbebauung in der Innenstadt wurde so gründlich zerstört, dass man nach dem Löschen der Brände einige Tage nach dem Angriff beinahe ungehindert von einer Seite der Stadt zur anderen schauen konnte. Über 700 Familien waren obdachlos, und die Schuttberge so enorm, dass auf jeden Einwohner der Innenstadt über 43 Kubikmeter Schutt kamen – deutlich mehr als selbst in Dresden oder Köln.

Nur wenige Tage nach dem Bombardement rückten die Amerikaner in der Stadt ein und besetzten das in Trümmern liegende Dorsten. Noch heute werden bei Bauarbeiten Blindgänger aus dem Erdreich geborgen.

Bomben auf Wulfen fordern 23 Leben

Der 22. März 1945 wurde ebenso Wulfens Schicksalstag. Morgens, um 10.10 Uhr wurden bei einem Angriff eines amerikanischen Bomberverbandes vier Bombenteppiche über das Dorf gelegt. Dabei wurden über Wulfen mehr als 100 Sprengbomben von fünf bis zehn Zentnern Gewicht abgeworfen. Der erste Flächenwurf traf zuerst das Dorf und die Kirche.

15 Wohnhäuser und die Matthäuskirche wurden beim Angriff auf Wulfen zerstört. Foto: Archiv

Der zweite Angriff traf dann den Bahnhof, der dritte den neuen Friedhof, und der vierte die Häuser Auf der Koppel. Insgesamt fielen dabei 125 Sprengbomben von fünf bis zehn Zentnern Gewicht auf Wulfen, die die Kirche und 15 weitere Häuser total zerstörten. Sieben weitere Wohnhäuser mussten im Folgenden sofort geräumt werden und zwölf andere erhielten schwere Beschädigungen. Insgesamt forderte der Angriff 23 Todesopfer. 22 Opfer der Bombenkatastrophe wurden unter großer Anteilnahme der Bevölkerung am 25. März 1945 auf dem ebenfalls von Bomben getroffenen, verwüsteten Friedhof gemeinschaftlich in einem als Grab dienenden Bombentrichter beigesetzt.

22 Menschen wurden in dem Gemeinschaftsgrab bestattet. Foto: Stadt Dorsten

Flucht in den Keller

Augenzeugen berichten später von dem Schreckenstag. Hermann Grewer (damals im Alter von zwölf) beschreibt dabei das Ereignis am 22. März 1945 als einen herrlichen Frühlingstag, der aber für viele Wulfener Familien schrecklich endete. „Meine Eltern, Bernhardine und Hermann Grewer, und wir fünf Kinder (Alfred, Hermann, Werner, Willi und Hildegard) wohnten direkt an der Matthäuskirche im Hause der Familie Stolbrink. Von unserem Vater, der als Soldat in Südfrankreich war, hatten wir schon seit einigen Monaten keine Nachricht mehr erhalten. So musste unsere Mutter uns fünf Kinder alleine versorgen und sich um alles kümmern. Unterstützung erhielten wir durch Familie Stolbrink“, erinnert sich Hermann Grewer.

Beim einsetzendem Voralarm suchten er und seine Familie sowie weitere Dorfbewohner und Angestellte des Lebensmittelgeschäftes Stolbrink und der Post Deckung im Gewölbekeller der Familie Stolbrink. Auch das Wohnhaus der Familie Stolbrink wurde dabei komplett vernichtet. Von 22 Dorfbewohnern die im Keller der Familie Stolbrink Zuflucht suchten, starben anschließend elf an den Folgen dieser Angriffe.

Einer von 37 Bombern der ersten Angriffswelle: Die B-17G Flying Fortress mit der Mannschaft von 1st Lt. Byron L. Magness. Das Foto zeigt den Bomber in 23500 Fuß auf der Position D-2 im Lead Squadron beim Abwurf ihrer Bomben (2 Brandbomben IB M17 sowie 15 Sprengbomben GP M30) auf Dorsten. Die Aufnahme entstand durch den Piloten John Bornstedt, aufgenommen aus einer anderen B-17 im Angriffsverband. Foto: Archiv

Todesangst in 7620 Metern Höhe

Während die Nazi-Propaganda die alliierten Bomberbesatzungen als mordlüsterne „Terrorflieger“ darstellte, sahen die Briten, Amerikaner und ihre Verbündeten Luftangriffe als wichtiges Mittel an, den Krieg in das Herz Nazideutschlands zu tragen. Für die Besatzungen war solche Propaganda aber spätestens dann von nachrangiger Bedeutung, wenn sie beim Anflug von deutschen Jagdflugzeugen angegriffen oder der präzise schießenden Flak ausgesetzt waren. Neben den Briten und Kanadiern waren beim Angriff auf Dorsten auch Amerikaner beteiligt. Einer von ihnen, der Heckschütze James Leonard Waymire, beschreibt die Mission abschließend in seinem Kriegstagebuch.

Am 21. Februar 1945 ließ sich die Crew von Leutnant Byron L. Magness vor einer B-17 ihrer Einheit fotografieren. Von links oben nach rechts unten: Techniker William C. Williams, Pilot Byron Magness, Co-Pilot Robert H. Dee Jr., Navigator Samuel Arbuthnot, Ersatz-Bombenschütze Daniel M. O‘Connell, Funker James C. Oliver, Kugelturmschütze Bertram A. Ongly, und Heckschütze Larry L. Nulf. Foto: Archiv

„Es war ein klarer Tag, also konnten die Deutschen uns mit ihren Flakgeschützen gut verfolgen“, beschreibt Waymire. Schon kurz vor dem Abwurf wurde ihre Maschine von heftigen Detonationen durchgeschüttelt. Die in der Luft explodierenden Geschosse der Flugabwehrkanonen schienen dabei immer näher auf den Bomber zuzukommen. „Ich wäre fast in meinen Helm hineingekrochen, als ich sah, wie die Detonationen näherkamen“, beschreibt Waymire seine Todesangst. „Einige kamen nahe genug, um unser Flugzeug durchzuschütteln“, notiert der Schütze, „ich war wirklich froh, als wir unsere Bomben abgeworfen hatten und im 45-Grad-Winkel vom Ziel abdrehten.“

„Ich bin so müde“

Doch der Beschuss wurde stärker. „Plötzlich traf Flak unser drittes Triebwerk und setzte es ausser Gefecht, und Triebwerk Nummer vier verlor sofort an Leistung.“ Entsetzt musste Waymire mit ansehen, wie ein anderer Bomber in der Luft zerrissen wurde und ein anderer brennend zu Boden stürzte, während die eigene Maschine immer weiter an Höhe verlor.

Nur mit Glück schaffte es das zerschossene Flugzeug schließlich zurück nach England. „Drei Löcher waren direkt hinter mir im Heck der Maschine“, so Waymire. Bei anderen Besatzungen waren einige der Soldaten getötet worden. „Ich bin so müde“, schreibt er.

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