„Es sieht momentan noch alles ziemlich wüst aus“, gibt der Leiter des Bürgermeisterbüros, Karsten Hartmann, zu. Schon bald soll sich die Baustelle am Amphitheater im Bürgerpark aber in eine raffiniert überdachte Naturbühne verwandelt haben.
Tiefe Löcher, Bauzäune und Schuttberge bestimmen derzeit noch das Bild am Amphitheater an der Kanalseite des Bürgerparks Maria Lindenhof. Schon in den kommenden Wochen sollen aber die umfassenden Bauarbeiten abgeschlossen werden. Dann wird sich die Oude Marie, wie sich das Ensemble aus Freilichtbühne mit angeschlossener Gastronomie seit einigen Jahren nennt, in völlig neuer Gestalt präsentieren.

Zweiteiliges Dach über dem Amphitheater
Über der Bühne wird sich dann ein Dachbogen aus zwei Segeltüchern spannen, der die Gäste und Künstler dann vor Regen und praller Sonne schützen soll. „Das Tuch wird derzeit auf Maß konfektioniert“, erklärt Dr. Lars Meeß-Olsohn. Der Architekt freut sich, dass nach der langen Planungsphase das Projekt in Kürze abgeschlossen sein wird. „Die ersten Planungen gehen bis ins Jahr 2020 zurück“, erinnert sich der Velberter.
Nicht nur die Corona- und Ukrainekrise verzögerten dabei das Projekt. Auch der Untergrund, der nach dem Krieg mit reichlich Schutt durchmischt wurde, stellte die Bauunternehmer vor Herausforderungen. „Ja, die Fundamente waren ein schweres Thema“, so Meeß-Olsohn. „Um so mehr freue ich mich, dass der Ort demnächst von Leichtigkeit geprägt wird“.

Exakt berechnete Leichtigkeit
Und diese Leichtigkeit ist durchaus auch im baulichen Sinne zu verstehen, denn auf Leichtbaukunst ist der vielfach ausgezeichnete Architekt spezialisiert. Wie einst Frei Otto und Günter Benisch das Münchener Olympiagelände mit luftigen und leichten Gebäuden gestalteten, so arbeitet auch Meeß-Olsohn mit Geweben und rahmengespannten Membranen. Der Vergleich mit handelsüblichen Zeltdächern oder Sonnensegeln greift dabei allerdings zu kurz, verrät der Architekt: „Jeder Platz hat seine Eigenheiten. Dabei müssen sehr viele Faktoren berechnet werden, damit die Konstruktion gelingt.“ Ob starker Wind, heftiger Regen oder tonnenschwere Schneelasten: Das Dach muss trotz seiner leichten Bauweise einiges abkönnen.

Wie groß die Kräfte sind, die aufgefangen werden müssen, kann man auf der Baustelle derzeit an mächtigen Stahlelementen erkennen, die aus massiven Betonsockeln ragen. An diesen sogenannten „Schwertern“ sind dann die Rahmen verankert, über die das eigentliche Zelt abgespannt ist. Das Dachgewebe ist dabei aus hochbelastbarem Polyester mit einer PVC-Beschichtung. Eine Fachfirma aus Graz hat für die Oude Marie rund 1000 Quadratmeter Gewebe hergestellt. „Am Ende erhält es eine Schlusslackierung“, erklärt Lars Meeß-Olsohn. „Das sorgt auch Jahrzehnte später noch für ein schönes Ergebnis“.
Private Stiftung machte Bau erst möglich
Dass das Amphitheater eine so aufwändige Aufwertung erfahren kann, ist einer privaten Stiftung zu verdanken. „Wir als Stadt Dorsten sind nicht der Bauträger, sondern begleiten das Projekt nur“, betont Bürgermeisterbüro-Leiter Karsten Hartmann. „Wir sind aber sehr dankbar, dass die Stiftung den Umbau ermöglicht.“ Um die Kosten von 730.000 Euro zu finanzieren, nahm die Stiftung eine halbe Million Euro in die Hand. Weitere 100.000 kamen durch externe Fördergelder hinzu, und 130.000 Euro aus städtischen Mitteln.

Es ist die bedeutendste Baumaßnahme an der Dorstener Freilichtbühne seit ihrer Errichtung in den 1970er Jahren. In den 80er und 90er Jahren hatte hier ein rühriges Ensemble noch das sogenannte „Sommertheater“ mit vor allem antiken Stücken aufgeführt. Danach verfiel das Amphitheater in eine Art Dornröschenschlaf.
Der Weckruf kam gleich in zweifacher Ausfertigung: Zum einen entdeckte das Team Schaukelbaum 2017 das Potential des alten Amphitheaters als Eventstandort. Zum anderen gelangte die Umgebung der alten Bühne 2018 beim „Stadtkrone“-Projekt unter der Leitung der Künstlerin Marion Taube wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit.
Der Prozess, das alte Maria Lindenhof Gelände wieder neu zu erwecken, führte auch zu dem Namen „Oude Marie“ – plattdeutsch „Alte Marie“.
Schaukelbaum verspricht Überraschungen
Von Beginn der Erweckung an ist das Team Schaukelbaum als gastronomische Begleitung dabei. Aus der einst noch recht improvisierten Terrassenbar entsteht zurzeit auch etwas Neues, aber zu den Details hüllt sich das Team noch in Schweigen. „Wir möchten die Leute überraschen“, verrät Birger Schwalvenberg von Schaukelbaum.
Amphitheater als Lern- und Kulturort
Klar ist schon jetzt, dass das Amphitheater an der Oude Marie mehr sein wird, als nur eine gelegentliche Bühne für Musik- und Kulturveranstaltungen. „Wir haben das Amphitheater bewusst zu einem außerschulischen Lernstandort weiterentwickelt“, erklärt Karsten Hartmann von der Stadt Dorsten.

So können hier bald Theater-AGs und Kunstunterricht stattfinden, aber auch Sportunterricht oder andere Außenveranstaltungen. Vor allem an den Wochenenden dürfte sich der zwischen den Radwegen entlang von Lippe und Kanal gelegene Ort auch zu einem beliebten Ausflugsort entwickeln. Schon in den vergangenen Jahren hielten hier viele Radfahrer oder Spaziergänger für eine Erfrischung oder eine Rast an. Voraussichtlich ab Juni soll alles dafür fertig sein.
Bewährungsprobe am 1. Mai
Eine Bewährungsprobe steht der Oude Marie aber noch vor ihrer Fertigstellung bevor. Der Park Maria Lindenhof ist nämlich traditionell ein Treffpunkt für viele Jugendliche am Vorabend des 1. Mai. Da es hier in den vergangenen Jahren öfter zu Beschwerden gekommen war, steuern die Behörden mit Polizei, Ordnungsamt und Jugendamt gegen.

Angesichts der Baustelle sind die Vorbereitungen in diesem Jahr besonders sorgfältig. „Die derzeit noch durch den Park laufende Baustraße wird Ende April abgebaut“, erläutert Karsten Hartmann. Gleichzeitig werde die Baustelle selbst hermetisch abgeriegelt. „Wir verstehen, dass die Stufen des Amphitheaters zum Sitzen verlocken, aber angesichts der Baustelle ist das viel zu gefährlich“, so Hartmann. Die Erfahrungen durch die konsequente, aber freundliche Begleitung durch die Behörden seien aber bereits im vergangenen Jahr sehr gut gewesen. Und schließlich könnten sich die Jugendlichen ja auch auf den bald aufgewerteten Park mit dem neuen Amphitheater freuen.