Preiswertes Wohnen in der Nähe der Ausbildungsstätte: Nach dem Vorbild von Universitätsstädten möchte Dorsten ein Angebot für Auszubildende schaffen. Der geplante Azubicampus soll die Lippestadt als Standort attraktiver machen.
Deutschland gehen die Auszubildenden aus: Mehr als ein Drittel aller Betriebe können trotz aller Bemühungen nicht mehr alle Azubiplätze füllen. Allein in Dorsten bleiben von rund 500 Ausbildungsstellen derzeit 220 unbesetzt.
Um Schulabgänger, die sich für eine Lehre begeistern lassen, ist daher ein landesweiter Wettbewerb entbrannt. Längst spiele nicht nur die Qualität der Ausbildung, sondern auch zusätzliche „Versüßungen“ eine Rolle, erklärt Markus Funk. „Da legen Firmen noch ein IPad drauf, oder schaffen einen Azubi-Dienstwagen an“, berichtet der Geschäftsführer der Wirtschaftsfördergesellschaft WINDOR.
Idee für den Azubicampus ist 2022 entstanden
Dorsten möchte nun einen anderen Weg gehen. „Fachkräfte zu bekommen, wird immer schwieriger. Daher wollen wir auch in Dorsten auch die Ausbildungsberufe attraktiver machen“, erklärt die 1. Beigeordnete der Stadt Dorsten, Nina Laubenthal. Seit 2022 werde daher die Idee entwickelt, in Innenstadtnähe ein besonderes Angebot für Auszubildende zu schaffen, das Wohn- und Bildungsmöglichkeiten verbindet.
Dabei sei das Projekt „Azubicampus“ entstanden. Wie Studenten im Wohnheim, sollen hier Auszubildende während ihrer Lehrzeit wohnen und leben können. Von dort aus sollen sie auf kurzen Wegen in die Dorstener Betriebe gelangen, in denen sie ihre Ausbildung machen. Zudem hätten sie standortnah weitere Bildungsmöglichkeiten zur Verfügung, etwa die VHS oder das Berufskolleg.
Nach einem groben Konzept und einer weitergehenden Analyse soll der Vorschlag nun im Mai und im Juni durch verschiedene Ausschüsse gehen, bis dann Mitte Juni der Rat über eine mögliche Umsetzung entscheiden soll. „Mit einer Ratsentscheidung im Rücken können wir das Projekt dann bis zur Reife entwickeln“, so Laubenthal.

„Ein herausragender Standort“
Die passende Immobilie für den möglichen Azubicampus sieht die Stadt im ehemaligen Petrinum an der Bochumer Straße. Der Schulkomplex dient seit 2020 als Flüchtlingswohnstätte, wird aber ab 2025 wieder für eine andere Nutzung freigegeben. Auch das umgebende Johannesquartier soll einen Ausbildungs- und Lernschwerpunkt erhalten. „Dazu passt gut, dass der Kreis Recklinghausen einen neuen Standort für ein Studieninstitut sucht“, sagt Holger Lohse. Der Technische Beigeordnete der Stadt Dorsten sieht großes Potential in einer solchen Verwandlung. „Das Johannesquartier ist von der Größe her passend und in direkter Nähe zur Innenstadt“, so Lohse.
Im ganzen Kreis sei es wohl schwer, ein vergleichbar gut geeignetes Areal zu finden. Die Verkehrsanbindung mit dem nahen Busbahnhof und Bürgerbahnhof sei exzellent, dazu befänden sich Freizeit-, Natur- und Bildungsangebote in direkter Nähe. „Wir sprechen hier über eine neue Nutzung eines herausragenden Standortes“, davon ist der Technische Beigeordnete überzeugt.
Vorbild findet sich in Fulda
Dass ein solches Konzept wie der Azubicampus funktionieren kann, sehe man am Beispiel Fulda, erklärt WINDOR-Geschäftsführer Markus Funk. „Der dortige Campus bietet 136 Plätze und die Warteliste ist immer lang“, so Funk. „Dabei ist Fulda von der Größe her gut mit Dorsten vergleichbar. Zudem ist es weit genug weg, dass keine Konkurrenz zwischen den beiden Standorten entsteht.“ Mit Hilfe von Fördergeldern für den Umbau und dem späteren Übergang zu einer Betreibergesellschaft soll der Azubicampus langfristig finanzierbar bleiben.
Heimische Betriebe und Stadt sollen profitieren
Profitieren sollen von dem Campus zum einen die Auszubildenden, die hier günstige Wohnmöglichkeiten, eine pädagogische Betreuung und zusätzliche Bildungsangebote erhalten sollen. Zum anderen soll der Azubicampus den Dorstener Firmen zugute kommen. Sie können den Campus zum einen nutzen, um Lehrlinge aus entfernteren Regionen zu gewinnen, aber auch als Bildungsstätte für heimische Auszubildende.
Auch für das kulturelle Leben in Dorsten sehen die Verantwortlichen im Zuzug junger Menschen Chancen. „Viele Jugendliche in der Bildungsphase, also von 18 bis 25 Jahren, verlassen Dorsten“, bedauert Nina Laubenthal. Sie würde sich freuen, wenn sich mehr von ihnen entschließen würden, vor Ort eine Ausbildung zu machen.
Fertigstellung wohl eher Ende der Zwanziger Jahre
Sollte das Projekt auf den Weg gebracht werden, ist mit der Fertigstellung des Azubicampus wohl erst in einigen Jahren zu rechnen. Zunächst muss das noch bis 2025 als Flüchtlingsunterkunft genutzte Gebäude saniert und zielgerichtet umgebaut werden. Auf einen genauen Termin möchten sich die Verantwortlichen zu diesem Zeitpunkt noch nicht festlegen lassen, aber eine Fertigstellung Ende der 2020er Jahre halten sie nicht für unrealistisch.
