Judy Reynold, Irlands erfolgreichste Dressurreiterin blickt auf Olympia 2021
Es ist still auf dem Hof in Lembeck. Nur die Pferde sind in ihren Boxen zu hören. „Uns fehlen natürlich die sozialen Kontakte auf dem Hof, die Gespräche, das Kaffeetrinken und die Teilnehmer der Kurse, die Judy gibt“, erzählt Patrick Heavey, Ehemann und Couch derbeliebten Olympionikin Judy Reynolds aus Holsterhausen. „Aber die Gesundheit und die Eindämmung des Virus haben absoluten Vorrang und daher halten wir uns an die Regeln der Landesregierung.“
Judy trifft es doppelt schwer: „Ich fliege normalerweise zweimal im Monat nach Irland, gebe dort Trainingsstunden und besuche meine Familie. Das fällt nun natürlich auch zurzeit weg“, bedauert sie. „Auch das Treffen mit der irischen Olympiamannschaft kann nicht stattfinden, aber das Team steht fest, ebenso wie unsere Qualifikation und damit unsere Teilnahme für die Olympischen Spiele in Tokio“, fährt sie fort. „Leider kann ich momentan keinen persönlichen Kontakt zur irischen Reiterszene halten und meinen Landsmänninnen das weitergeben, was sie selbst gelernt habe, aber alle Reiterinnen trainieren so gut es geht für sich alleine weiter.“

Foto: Katharina Lachs
Auch Judy und Patrick leben ihren Alltag, so gut es geht, normal weiter. Die Pferde müssen ja auch jetzt geritten und trainiert werden. Allen voran ihr wortwörtlich bestes Pferd im Stall:der 18-jährige Wallach Vancouver K, auch JP genannt. Seit zwölf Jahren reitet Judy ihn und erreichte mit ihm bei den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro den 18. Platz in der Einzelwertung und belegte bei der EM 2019 in Rotterdam den fünften Platz.
„Am liebsten reitet Judy Stuten und Wallache“, so Patrick, „Hengste hat man nicht immer so gut unter Kontrolle.“ Mit JP steht Judy Reynolds zurzeit auf Platz 15 der Weltrangliste im Dressurreiten. Dieser Rang ist stets gekoppelt ans jeweilige Pferd. „Vancouver entscheidet alleine, wann er nicht mehr möchte, wir zwingen ihn nicht. Er gehört wie unsere Hunde zur Familie und daher wollen wir natürlich, dass es ihm gut geht“, betont Patrick Heavey.
Um auch mit weiteren Pferden einen oberen Platz in der Weltrangliste zu erreichen, trainiert die Weltklassereiterin zusätzlich andere Pferde aus ihrem Stall. Vier sind es zurzeit insgesamt, die das „Zeug“ zum Olympiapferd hätten. „Neu im Team ist ‚Leroy‘, der jetzt schon Grand-Prix-Niveau hat und im nächsten Jahr in Tokio dabei sein wird“, ist sich Patrick fast sicher. „Judy erkennt schnell, wie gut ein Pferd ist“, fährt er fort und seine Frau bringt es mit den Worten: „Mir sind ein guter Charakter und wenig Talent lieber, als ein Pferd mit viel Talent und einem weniger guten Charakter“, auf den Punkt. „Wichtig ist auch das Vertrauen. Das Pferd muss gerne bei Turnieren antreten, daher ist es uns anfangs nicht so wichtig, wie wir mit neuen Pferden auf Turnieren abschneiden. Die Basis muss von Anfang an stimmen, denn Pferde vergessen nichts“, erzählt sie weiter.
Judy Reynolds ist in Irland quasi auf dem Pferderücken groß geworden. Bereits als Fünfjährige liebte sie das Reiten und diese Liebe hielt an. „Schule, Hausaufgaben, ab aufs Pferd, so sah mein Tag auf dem Bauernhof meiner Eltern oder bei der Reitbeteiligung am Schulpferd aus“, erzählt sie. Mit 16 Jahren konzentrierte sie sich aufs Dressurreiten, arbeitete in der Logistikfirma ihrer Eltern, um sich ihr Hobby finanzieren zu können, und studierte zeitgleich Musikwissenschaften.
Trotz ihrer großen Erfolge ist die erfolgreiche Dressurreiterin sehr bodenständig geblieben. Das liegt sicher auch daran, dass sie nicht nur für ihre Erfolge hart arbeiten musste. Dafür, dass sie überhaupt die Möglichkeit zum Trainieren bekommt, muss sie finanziell gesichert sein. Die Preisgelder bei den Olympischen Spielen oder Europameisterschaften sind bei Weitem nicht so hoch, wie allgemein angenommen wird. Um ihre Ziele auf ein gesundes finanzielles Fundament zu stellen, reitet Judy daher auch Pferde anderer Besitzer ein und gibt Reitunterricht für fortgeschrittene Erwachsene mit dem Fokus auf den Reitsport.
Wochenende oder einen geregelten Feierabend haben die zwei selten, aber das vermissen sie auch nicht. Die Leidenschaft für den Pferdesport entschädigt sie ausreichend. „Ich möchte nichts anderes machen“, ist sich die sympathische Reiterin sicher. „Durch unsere Pferde haben wir zudem Orte gesehen, für die wir uns sonst nicht entschieden hätten“, schwärmt ihr Mann. „Ob Doha in der Wüste Katars oder mitten im Central Park in New York direkt neben einem Rihanna-Konzert, es waren traumhafte Aufenthalte“, ergänzt die Holsterhausenerin.
Ich drücke dem freundlichen Paar meine Daumen für eine erfolgreiche Olympiade 2021. Sie haben es verdient.
Text: Petra Bosse
Fotos: Katharina Lachs