Sollten in Dorsten die Spiele der WM in Katar auf Großleinwand gezeigt werden? Die Stadtgesellschaft ist gespalten, der Veranstalter fühlt sich ungerecht behandelt.
Die Fußball WM Katar steht kurz vor Beginn massiv in der Kritik. Eine korrupte FIFA, die einem Unrechtsstaat die WM verkauft hat, massive Menschenrechtsverletzungen, gekaufte Fans, bestochene Fußballspieler und gigantische Energieverschwendungen sind nur einige der Kritikpunkte. Demgegenüber stehen handfeste Wirtschaftsinteressen und einige Fans, die die Debatte als heuchlerisch abtun. Auch in Dorsten wird heftig debattiert. Besonders heftig gestritten wird um die Übertragung beim Dorstener Winterzauber.
SPD lehnt öffentliche Übertragung ab
Der SPD Stadtverband sieht den gesellschaftlichen Grundgedanken der Weltmeisterschaft beschädigt. „Nach Meinung des SPD- Stadtverbandes sollte eine Fußball Weltmeisterschaft Grenzen überwinden, Kulturen verbinden und Menschen unterschiedlichster Länder zusammenbringen, um ein Sportfest zu feiern“, heißt es in einem öffentlichen Statement. Das sei bei der Fußball WM Katar aber überhaupt nicht der Fall.
„Dass diese Werte durch die Herrschenden in Katar mit Füßen getreten werden, zeigten nicht zuletzt die Äußerungen des katarischen WM-Botschafters Khalid Salman, der Homosexualität als „geistigen Schaden“ bezeichnet hat“, betonen die Sozialdemokraten.

Es sei noch nicht lange her, dass die Stadt Dorsten sich Werte wie Demokratie, Menschenwürde und Respekt auf die Fahne geschrieben habe. Viele Dorstener hätten diese Werte mit ihrer Unterschrift für sich bestätigt, erklärt die SPD. „Doch eine Unterschrift allein reicht nicht. Man muss diese Werte auch vorleben und aktiv umsetzen. Das bedeutet Stellung zu beziehen, wenn andere irgendwo falsch abgebogen sind, wie die FIFA mit dieser WM, und auf Public Viewings zu verzichten.“
„UNsere Werte werden In KATAR zu Grabe getragen.“
SPD-Ratsfraktion Dorsten
Von der WM in Katar würde am Ende nichts bleiben, „als ein bitterer Beigeschmack, wenn die oben genannten Werte zu Grabe getragen werden.“
Die SPD argumentiert, dass der Winterzauber mit dem Eisstockschießen eine gute Alternative anbieten würde. Das sei „eine Riesengaudi, die gefeiert werden kann“ und fände die volle Unterstützung der Sozialdemokraten. „Daher bitten wir die Organisatoren des Winterzaubers, die Entscheidung bezüglich des Public Viewings nochmal zu überdenken.“
Adventszauber-Veranstalter findet Boykott ungerecht
Veranstalter Hans Schuster findet die Kritik ungerecht. „Es ist seit zwölf Jahren bekannt, dass die WM stattfindet. Weder der DFB noch das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat das blockiert. Deshalb war es uns klar, dass wir das zeigen müssen“, erklärt Schuster. Daher habe man auch dementsprechend die Investitionen getätigt, die Leinwand angemietet und die teure GEMA bezahlt. „Und jetzt zeigt sich die SPD erstaunt darüber und verlangt von uns, dass wir das Event boykottieren sollen, was aber überhaupt nicht mehr geht“, ärgert sich Hans Schuster.
„Desweiteren sind wir der Meinung, dass wir nach den zwei dunklen Jahren müssen wir für die Dorstener Bürger das Event anbieten müssen, wo man zusammenkommen kann, wo man sich mit Freunden treffen kann und wo man das erleben kann“, meint Schuster.

Das bedeute aber keiner Weise, dass sich das Team vom Winterzauber mit den Werten von Katar identifizieren würde. „Das kann man uns auch schwierig vorwerfen. Wir sind die Einzigen in Dorsten, die eine LGBTQ+-Veranstaltung überhaupt anbieten.“
„Ein Boykott würde nichts Ändern“
Veranstalter Hans Schuster
Nach Meinung des Veranstalters treffe ein Boykott der Fußball WM Katarvor allem jene, die „nichts dafür können“. Das seien vor allem die Eventbranche und die Gastronomie in Dorsten. „Sie sind die einzig Leidtragenden durch einen Boykott, denn sie haben schon zwei schwere Jahre hinter sich. Und jetzt sollen sie, wo sie etwas Geld verdienen können, das jetzt boykottieren.“ Das finde er „einfach unfair“, kritisiert Schuster. Zudem würde nach seiner Meinung ein Boykott nichts ändern, da sich weder die FIFA noch Katar etwas davon annehmen würden.
Bürgermeister will die WM nicht ansehen
Tobias Stockhoff hat als Privatperson aufgrund der massiven Menschenrechtsverletzungen eine sehr klare Position zur WM in Katar und wird sich die WM-Spiele in diesem Jahr daher nicht ansehen.

Tobias Stockhoff: „Die Menschenrechtsverletzungen zu benennen und zu kritisieren, ist ein notwendiger Baustein unseres Dorstener Stadtdialoges für Menschenwürde, Demokratie und Respekt. Jede Dorstenerin und jeder Dorstener hat es selbst in der Hand, Protest oder Meinungen gegen jegliche Form der Übertragung oder medialer Berichterstattung zum Ausdruck zu bringen.“
Stadt kann Live-Übertragung nicht verbieten
Ein Verbot für eine Live-Übertragung stehe der Stadt Dorsten jedoch nicht zu, erklärt Stadtsprecher Christoph Winkel. „Als Behörde ist die Stadt Dorsten – und als Behördenleiter ist der Bürgermeister – zur Neutralität und zu rechtmäßigem Handeln verpflichtet“, erklärt Winkel.
„Ein Verbot wäre rechtlich unzulässig“
Stadtsprecher Christoph Winkel
Die Stadt Dorsten als Teil der öffentlichen Verwaltung sei kein „klassischer Privatvermieter“ und dürfe keine Nebenbestimmungen aufnehmen, welche diesem Grundsatz zuwiderlaufen. „Ein städtisches Verbot, ob als ordnungsbehördliche Anordnung oder als Nebenbestimmung in einem Mietvertrag, wäre rechtlich unzulässig und würde gegen unsere Verfassung verstoßen“, so Winkel. Der Gesetzgeber habe schließlich die Übertragung von WM-Spielen aus Katar nicht untersagt. Somit seien auch der Stadt die Hände gebunden.
„Unsere Demokratie und unser Rechtsstaat verlangen uns manchmal eine Toleranz ab, welche nur schwer für uns zu ertragen ist“, betont der Bürgermeister. Jeder könne aber seine persönliche Meinung kundtun und für sich selbst die Entscheidung fällen, ob er die WM verfolgen möchte.