Wie kann man Kinder vor sexualisierter Gewalt schützen? Wann darf man bei Fremden, aber auch bei nahestehenden Personen „Nein“ sagen? Das Theaterprojekt „Mein Körper gehört mir“ will Dorstener Grundschulkinder auf spielerische Art stark machen.
„NEIN!“ schreit die Schülerin dem jugendlichen Flegel ins Ohr. Ganz unverschämt hatte er doch einfach seinen Arm um das Mädchen gelegt. Diese Übergriffigkeit kontert die Schülerin mit voller Stimmgewalt, so dass dem Jungen die Ohren klingen. Verwirrt lässt er von seinem Opfer ab.
Gemimt werden die beiden Rollen durch Angelo Enghausen-Micaela und Irene Schlump. Sie sind Teil des theaterpädagogischen Projektes „Mein Körper gehört mir“. 1995 wurde es in Osnabrück ins Leben gerufen, um Kindern auf spielerische Weise Körperbewusstsein zu vermitteln und sie für Übergriffe zu sensibilisieren.

„Ja“- und „Nein“-Gefühle benennen
„‚Mein Körper gehört mir‘ ist ein sehr wertvolles Projekt, das jetzt an unseren Grundschulen durchgeführt wird“, erklärt Heike Lippert-Knospe. Die Schulleiterin der Wilhelm-Lehmbruck-Schule organisiert den Besuch der Theaterpädagogen in den dritten und vierten Klassen. „Ein ganz wichtiges Thema für die Kinder ist dabei, Ja- und Nein-Gefühle benennen zu lernen.“
Ja- und Nein-Gefühle beschreiben dabei, wie ein Kind Situationen einordnen kann. Ein Beispiel dabei wäre etwa: „Ja, ich mag meinen Onkel. Nein, ich mag nicht wie er mich gerade anfasst.“ Dabei spielen die Schauspieler nicht nur ein Bühnenstück zum Anschauen, sondern beziehen die Kinder ganz bewusst mit ein. „Wir sprechen die Gefühlsebene an“, erklärt Angelo Enghausen-Micaela. So fragen die beiden Darsteller auch während der Spielszenen immer wieder nach: „Hat das Mädchen jetzt ein Ja- oder Nein Gefühl? Was sind für euch Ja- oder Nein-Gefühle?“
Kindgerechte Vermittlung schwerer Themen
Durch diese einfache, kindgerechte Herangehensweise will das Projekt „Mein Körper gehört mir“ vor Situationen warnen, die die meisten Kinder in seiner vollen Ernsthaftigkeit noch nicht verstehen können. „Wir erklären zum Beispiel auch, dass es völlig in Ordnung ist, Nein zu sagen“, so Enghausen-Micaela. Denn eins sei klar: „Die Schuld liegt nie beim Kind. Sie liegt immer bei demjenigen, der etwas tut.“
In den kommenden Wochen wird das Theaterprojekt jede dritte und vierte Klasse jeweils drei Mal für je eine Schulstunde besuchen. Am Ende bekommen die Kinder nicht nur vermittelt, wann sie Nein sagen sollten. Vielmehr erklären die Pädagogen auch praxisnahe Strategien, etwa wie man sich Hilfe holt und wem man sich anvertrauen kann. Dazu gibt es eine Telefonnummer, bei denen sich die Kinder Unterstützung holen können.
Sichtveranstaltung in der Herz Jesu Kirche
Um einen besseren Eindruck von dem Theaterstück zu erhalten, konnten sich Lehrer und Eltern im Vorfeld schon eine Sondervorstellung anschauen. Diese Sichtveranstaltung fand ohne Kinder in der Deutener Herz Jesu Kirche statt. „Wir freuen uns sehr, dass Pfarrer Martin Peters unser Projekt unterstützt“, betont Heike Lippert-Knospe. Der ungewöhnliche Ort sei gerade in Zeiten, wo sich die katholische Kirche massiven Missbrauchsvorwürfen ausgesetzt sieht, ein hoffnungsvolles Symbol.
Finanzielle Unterstützung erhält das Projekt von der Pelz-Anfelder-Stiftung und dem Lions Club. Zusammen mit anderen Sponsoren konnten sie die Kosten für die Eltern mit einem Eigenanteil von 5 Euro äußerst niedrig halten.