Mit nur wenigen Teilnehmern, ohne Ankündigung und ohne Publikum fand am Sonntag die Gedenkfeier zum Volkstrauertag im Dorf Hervest statt.
Ein Zeichen des Friedens setzten die Veranstalter im kleinen Kreis am Sonntagvormittag. In seiner Ansprache gedachte der Vorsitzende Dirk Richter, wie in den Jahren zuvor, traditionell den Opfern von Krieg, Terror und Gewalt.
Die zentrale Gedenkfeier der Stadt Dorsten anlässlich des Volkstrauertages fand in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie in einem deutlich kleineren Rahmen als üblich statt. Am katholischen Friedhof der Pfarrgemeinde St. Paulus in Dorf-Hervest legte Bürgermeister Tobias Stockhoff gemeinsam mit dem örtlichen Schützenvereinsvorsitzenden Dirk Richter und Bundeswehr-Stabsfeldwebel Marc Harrer Kränze in Erinnerung und im Gedenken an alle Opfer von Krieg, Terror und Gewalt nieder.
Als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Dorstener Schützenvereine nahm Hendrik Schulze-Oechtering für die sonst üblichen Abordnungen der 13 Dorstener Schützenvereine teil.
Pfarrer August Hüsing erinnerte vor der Kranzniederlegung am Ehrenmal in der Heiligen Messe zum Tagesevangelium an die Talente der Menschen, die sie im Einsatz für Frieden, Versöhnung und Nächstenliebe nutzen müssen.
In einem Gebet wurde auch an die Opfer gedacht, die in Einsätzen der Bundeswehr oder im Polizei-, Feuerwehr- oder Katastrophenschutzdienst ihr Leben für den Frieden in Freiheit und die Liebe zum Nächsten opferten.
Zwei Musiker der Blasmusik St. Marien umrahmten die kleine Gedenkfeier musikalisch.
„Ich bin sehr dankbar, dass wir trotz der Corona-Pandemie ein würdiges Zeichen gegen das Vergessen und für das Erinnern für die Zukunft gesetzt haben. Herzlichen Dank an alle Beteiligten“, sagte Bürgermeister Tobias Stockhoff.
Per Video wandte sich der Bürgermeister zudem an die Dorstener Bürgerinnen und Bürger: „Der Friede beginnt im Kleinen – in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Schule, im Verein, oder mit den Nachbarn. Wir können alle daran mitwirken, dass nicht der Hass gewinnt, sondern Friede, Versöhnung und die Nächstenliebe gewinnen. Ich freue mich, wenn auch Sie einen wichtigen Beitrag zu Frieden und Versöhnung in unserer Stadt leisten.“
Ansprache für die Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag 2020 Dorf-Hervest von Dirk Richter.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich, dass Sie sich für diese Gedenkfeier die Zeit nehmen. Dieses ist keine Selbstverständlichkeit.
Die rasante Verbreitung des Corona-Virus hält uns bereits seit vielen Monaten in Atem. Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie beeinträchtigen unser tägliches Leben. Soziale Kontakt werden zu einem Risikofaktor. Daher ist es schön, dass wir wenigstens in diesem kleinen Kreis die heutige Gedenkfeier zum Volkstrauertag begehen können. Und es ist wichtig hier zu sein!
Wie in jedem Jahr gedenken wir am heutigen Tag zusammen mit vielen anderen Mitbürgerinnen und Mitbürgern den Opfern von Krieg, Terror und Gewalt. Wir trauern um und erinnern uns an die Opfer. Dabei sollen sie uns eine Mahnung dafür sein, für ein gewaltfreies und friedliches Miteinander einzutreten.
Doch werden diese Mahnungen und Appelle erhört? Kommen sie in unseren Köpfen an? Und falls ja, werden sie ernst genommen?
Wenn ich mir gerade die jüngsten Geschehnisse im Zuge der amerikanischen Präsidentschaftswahl ansehe, kommen mir Zweifel.
Da fordert Donald Trump jr., Sohn und Berater des noch amtierenden Präsidenten der größten Demokratie der Welt, dazu auf, in den „totalen Krieg“ zu ziehen. Es sei Zeit, so Donald Trump Jr. weiter, „aufzuräumen“.
Diese Rhetorik macht mich fassungslos. Sie erzeugt Bilder in meinem Kopf, die ich aus Fernsehreportagen über die Herrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland kenne. Und wie so etwas enden kann, brauche ich keinem der hier Anwesenden zu erklären. Ein Blick auf die Tafeln hier am Ehrenmal reicht.
Es erfüllt mich mit Sorge, wenn fast 71 Mio. Amerikaner einen Menschen wählen, der sich mit Beratern umgibt, die derartige Aussprüche tätigen. Wenn 71 Mio. Menschen einem Leitbild folgen, der Rechtsradikale als „good boys“ bezeichnet, die sich bereithalten sollen.
Aber schauen wir in unser eigenes Land.
Demonstrationen im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus werden durch bestimmte Gruppierungen instrumentalisiert. Reichskriegsflaggen werden gezeigt. Aufgestachelte Demonstranten versuchen das Reichstagsgebäude zu stürmen. So etwas ähnliches hatten wir schon einmal.
Gott sei Dank handelt es sich hier noch um Minderheiten! Aber wie lange bleibt das so?
Wir leben seit 75 Jahren in Deutschland in Frieden und Freiheit. Viele von uns kennen Krieg und Terror nur aus den Nachrichten. Ich habe die Befürchtung, dass dieser Frieden als etwas „Selbstverständliches“ empfunden wird.
Aber, dass ist er nicht!!
„Der größte Feind der Demokratie ist die Gleichgültigkeit“ hat einmal der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier gesagt. Ich würde diesen Ausspruch gerne etwas abwandeln in „der Feind der Demokratie ist die Trägheit“. Trägheit geboren aus dem Gefühl, etwas als eine Selbstverständlichkeit anzusehen.
Daher ist es wichtig, Erinnerungen wach zu halten. Deshalb ist es wichtig, immer wieder an die Aufrechterhaltung freiheitlicher Werte zu appellieren und dafür einzutreten.
Und hier keimen Hoffnung und Zuversicht auf.
Es beeindruckt mich Menschen zu sehen, die mit viel Mut für diese Werte eintreten. Nehmen wir zum Beispiel die Einwohner von Hongkong oder die Frauen und Männer in Belarus.
Es macht Mut zu wissen, dass 75 Mio. Amerikaner sich für einen anderen Präsidenten entschieden haben. So viele, wie noch nie zuvor in der Geschichte der USA. Sie haben gewählt und sind damit friedlich für freiheitliche Werte eingetreten. Sie haben ihre Trägheit überwunden und sind wählen gegangen.
Ich habe die Hoffnung, dass Gedenkveranstaltungen wie diese, einen, wenn auch kleinen, Beitrag dazu leisten können, uns die Freiheit und den Frieden zu erhalten.
Daher ist es wichtig und richtig, dass wir trotz der Einschränkungen durch die Corona-Auflagen heute hier sind.
Um ein Zeichen zu setzen! Dafür danke ich Ihnen!