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Dienstag, April 29, 2025
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Warum hat Dorsten kein Freibad (mehr)?

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Braucht Dorsten ein „richtiges“ Freibad? Die Diskussion darüber ist auch über 20 Jahre nach der Schließung des Dorstener Freibads nicht tot zu kriegen. Obwohl eine ganze Generation das alte Freibad nicht mehr kennt und es im Außenbereich des Atlantis eine gute Alternative gibt, wünschen sich vor allem ältere Dorstener gerne „ihr“ Freibad zurück. Aber wie realistisch ist das?

Lange Schlangen bildeten sich am vergangenen Samstag vor dem Atlantis. An einem der raren Hitzetage diesen Jahres zog es die Dorstener zu Hunderten ins kühle Nass, und entsprechend voll wurde es vor dem Freizeitbad. „Unser Außenbereich war komplett belegt, und wir mussten leider einige Menschen wieder nach Hause schicken“, bedauerte Atlantis-Geschäftsführer Frank Schellhaus.

Als sich die Bilder von den langen Warteschlangen im Internet verbreiteten, ließ die Reaktion nicht lange auf sich warten. Zuverlässig kroch ein Streitthema wieder hervor, das bevorzugt an den heißen Tagen zum Leben erwacht und ansonsten kaum beachtet wird. „Warum hat Dorsten kein echtes Freibad mehr?“, das war der Tenor. Erwartbar begleitet wurde die Diskussion mit den üblichen Tiraden über Politik, das Atlantis und vielen verklärten Erinnerungen an das alte Freibad.

Nostalgische Erinnerungen an das alte Freibad

Und warum sollte man auch nicht nostalgisch werden? Zwischen 1961 und 2001 war das Bad an der Bismarckstraße ein Magnet für tausende sonnenhungrige Dorstener. Viele Menschen verbinden mit diesem Ort schöne Erinnerungen. Man war jünger, das Wetter war gut, die Freibadpommes duftete und auf der Liegewiese fanden im Laufe der Jahre so manche Paare zusammen. Zwischendurch konnte man seinen Mut beim Sprung vom Drei-Meter-Brett beweisen, während jüngere Kinder im Plantsch- und Nichtschwimmerbecken tobten. Solche Erlebnisse sorgen bis heute für wohlige Erinnerungen bei vielen ehemaligen Freibadbesuchern.

Das Freibad in den 1960er Jahren. Foto: Stadtarchiv

Doch die harte Realität machte dem Freibad nach einigen Jahrzehnten ein Ende. Die Anlage aus den 1960er Jahren schob einen immer größeren Renovierungsstau wie eine Bugwelle vor sich her. Schäden an den Becken, in die Jahre gekommene Umkleiden, kaputte Technik und allgemeine Überalterung machten dem Bad zu schaffen.

Sanierung kam nie zustande

Diesen Zustand teilte sich das Freibad mit anderen Hallenbädern und Schwimmhallen in Dorsten. Mitte der 1990er Jahre kam die Stadt Dorsten daher mit einem Investor überein, der nicht nur das neue und moderne Atlantis bauen, sondern auch das Freibad für rund neun Millionen Mark komplett sanieren und umbauen sollte. 2001 öffnete das Atlantis, und das Freibad wurde geschlossen. Schon 2002, so die Hoffnung, würde es in neuem Glanz erstrahlen. Dazu kam es aber nie. Der Investor konnte die Renovierung aufgrund finanzieller Probleme nicht umsetzen. Der private Betreiber ging insolvent, und das Projekt fiel wieder an die Stadt Dorsten.

Die Stadtverwaltung, die in dieser Zeit voll vom Strukturwandel erwischt wurde und zudem die laufenden Kosten für das Atlantis auffangen musste, konnte das Freibad nicht mehr bezahlen. Ein anderer Investor war ebenfalls nicht zu finden, da Freibäder selbst unter günstigsten Bedingungen nicht kostendeckend bewirtschaftet werden können. Kein Wunder: Selbst im letzten Rekordjahr des Dorstener Freibades, als 1995 über 70.000 Gäste gezählt wurden, musste die Stadt jede Menge Geld zum Ausgleich des Defizites aufwenden. Somit war das Ende gekommen. Das alte Bad verfiel, und auch nach dem Abriss der letzten Gebäude 2015 machte das Gelände mit seiner schweren Schadstoffbelastung weiter Schlagzeilen.

Neues Freibad wäre ein Millionengrab

Der Diskussion um das Freibad machte aber auch dessen Schließung und Verfall kein Ende. Pünktlich zu den heißen Tagen fanden sich immer wieder zahlreiche Nostalgiker, die sich ein neues Badeerlebnis unter freiem Himmel wünschten. Während die Hallenbäder in Wulfen und Lembeck aber dank der Eigeninitiative vieler Ehrenamtler bis heute überlebt haben, scheiterte dies beim Freibad. 2013 hatten sich die Mitglieder einer ähnlichen Initiative heillos zerstritten und ihr Zweckbündnis „Pro Freibad“ aufgelöst.

Und wie steht es heute, 23 Jahre nach dem letzten Öffnungstag des alten Freibads, um einen möglichen Neustart des Freibadprojektes?

Nicht gut, erklärt Stadtsprecher Christoph Winkel. Er rechnet vor: „Ein Freibad würde pro Jahr – je nach Sommer – ein jährliches Defizit von 500.000 Euro bis eine Million Euro bedeuten. Dazu müsste man mit einer Investitionssumme von fünf bis zehn Millionen Euro rechnen“.

Sparzwang: Kämmerer Karsten Meyer und Tobias Stockhoff beim Betrachten der Haushaltszahlen im September 2023. Foto: Borgwardt

Das wären „zusätzliche Ausgaben, die sich die Stadt Dorsten mit Blick auf die stark anwachsende Verschuldung und die Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden nicht leisten kann.“ Der Sparkurs der Stadtverwaltung habe Dorsten bisher vor dem Schlimmsten bewahrt. Während viele Nachbarstädte mit ihren Defiziten „im Schuldensumpf zu ertrinken drohen, versuchen wir unser Dorstener Defizit in 2024 so klein wie möglich zu halten“, so Winkel. Als Vergleich zum Dorstener Defizit von rund 6,5 Millionen Euro nennt er die Nachbarstädte Marl mit rund 80 Millionen Euro und Bottrop mit rund 60 Millionen Euro Schulden.

Insgesamt sei Dorsten aber mit insgesamt vier Bädern für seine Größe sehr gut aufgestellt. „All das ist nur möglich, weil es neben den beiden städtischen Angeboten (Atlantis und Lehrschwimmbecken Haldenwangschule) zwei Vereine unterstützt durch städtische Zuschüsse die Hallenbäder in Wulfen und Lembeck ehrenamtlich betreiben. Das Atlantis verfügt darüber hinaus über eine Liegewiese und einen Außenschwimmbereich“, so Christoph Winkel.

Sommerbetrieb im Atlantis Dorsten. Die großen Bälle laden zum „Aquazorbing“ ein, einem Rollen in der Kugel über das Wasser. Foto: Atlantis

Atlantis ist nicht nur eine „Notlösung“

Ist das Atlantis aber kein Ersatz für ein „richtiges Freibad“, wie viele Kritiker meinungsstark in den sozialen Medien verkünden? Tatsächlich ist das Dorstener Freizeitbad im Auge eines Puristen kein „reinrassiges“ Freibad, da es neben dem Außenbereich noch über das große Hallenbad mit verschiedenen überdachten Becken und einen großzügigen Sauna- und Wellnessbereich verfügt. „Ich kann die Gefühle aller Menschen verstehen, die sich gerne an das alte Freibad erinnern“, sagt auch Geschäftsführer Frank Schellhaus. „Aber wie unsere Besucher wissen, findet man alle Elemente eines Freibades auch bei uns.“

Außenbereich des Atlantis Dorsten. Foto: Atlantis

Und tatsächlich muss sich die Außenfläche nicht verstecken. Mehrere Schwimmbecken, eine Wasserrutsche und eine weitläufige Liegewiese sind ebenso vorhanden wie eine Fläche zum Ball- und Volleyballspielen. Anders als im alten Freibad kann die Wassertemperatur in den Außenbecken gleichmäßig gehalten werden, so dass auch nach einigen kühlen Tagen gut gebadet werden kann. Massagedüsen sorgen für Wohlbefinden, und Bäume bei Bedarf für Schatten. Die Außengastronomie bietet erfrischende Getränke und kühles Speiseeis an. „Und natürlich haben wir auch die gute alte Schwimmbad-Pommes“, ergänzt Frank Schellhaus mit einem Lächeln.

Foto: Atlantis Dorsten

Eintrittspreise früher und heute

Bleibt noch die Preisfrage. Manche Dorstener erinnern sich noch an die Anfangspreise des Freibades, wo man für eine Deutsche Mark hinein durfte. Solche Preise täuschten schon damals darüber hinweg, dass jede Karte aus der Stadtkasse heftig subventioniert wurde. In besucherschwachen Jahren zahlte die Stadt rechnerisch für jedes Ticket bis zu satte 18 Mark hinzu, um das Defizit auszugleichen.

Und wie sieht es heute aus? „Manche Kritiker sagen natürlich, dass man im Atlantis immer das ganze Freizeitbad bezahlt, auch wenn man nur in den Außenbereich möchte“, so Frank Schellhaus. „Wir bieten aber zahlreiche Rabatte an, die man etwa mit der Sportlerkarte oder der Atlantis Dorsten Card aus der Stadtinfo erhält. Auch Kinder mit einem begleitenden Elternteil erhalten Rabatt. Damit zahlen etwa ein Elternteil plus Kind zusammen gerade einmal zehn Euro“. Vielleicht lässt sich damit ja doch der eine oder andere eingefleischte Freibad-Fan vom Atlantis überzeugen.

Denn ein reines Freibad „wie früher“, soviel ist klar, wird es in Dorsten auf absehbare Zeit nicht mehr geben.

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