Streetworker sprechen über die Schwierigkeiten von Jugendlichen in der Corona-Krise
Dorsten. „Wir holen unsere Jugendlichen dort ab, wo sie Zuhause sind“, erzählte mir Streetworker Joshua Hildebrandt vom Soziokulturellen Zentrum „Das LEO“ im letzten Sommer. In der Corona-Krise ist das schwierig.
Da ist er mit seiner Kollegin Jacky Möller unterwegs zu den bekannten Treffpunkten in Hervest. „Uns vertrauen sie“, ergänzte die Sozialarbeiterin, „wir kennen unsere Mädchen und Jungen alle aus dem LEO.“ Gerade mit diesem Hintergrundwissen war es für die beiden Mitarbeiter des Jugendzentrums damals wichtig, Gespräche vis-a-vis mit den Jugendlichen zu führen. Diese Möglichkeiten gibt es nun seit Längerem auch nicht mehr.
Persönliche Gespräche fehlen in der Corona-Krise
Die Anlaufstelle für die Hervester Jugend ist noch geschlossen.
Telefonisch war das Team, zu dem auch Dennis Ullrich gehört noch eine Zeit lang erreichbar. Aber es besteht schon ein Unterschied, ob die Pädagogen die Jugendlichen beim Gespräch auch sehen.

Christian Joswig hofft, dass er mit seinem Team den Jugendlichen nach Ostern wieder kreative Angebote bieten kann
Ob bei ihren ständigen Besuchern wirklich alles in Ordnung ist, das erfahren die Sozialarbeiter erst nach einiger Zeit im persönlichen Gespräch. Christian Joswig hofft daher, dass das Jugendzentrum nach Ostern wieder öffnen darf. „Bis dahin sind die Kinder und Jugendlichen leider fast auf sich gestellt“, bedauert der pädagogische Leiter des LEOs.
Wenig Möglichkeiten zur Information
„Während im Sommer Kinder mit Comics über das Virus aufgeklärt wurden, Erwachsene sich im Internet oder auf Plakaten und Tafeln über die Folgen des Virus, über Hygienemaßnahmen und Abstandhalten informieren konnten, hatte die Altersgruppe dazwischen dazu wenig Möglichkeiten. Daher wussten relativ viele unserer jugendlichen Gäste wenig über das Coronavirus“, berichtet Jacky.
Auch ich als Autorin dieses Textes muss mir den Schuh anziehen, vorschnell geurteilt zu haben, wenn ich gerade zu Anfang der Kontaktbeschränkungen viele junge Menschen in einer Gruppe stehen sah. Aber viele Jugendliche kannten die Beschränkungen offensichtlich zum großen Teil wirklich nicht.
Kontakte mit Freunden übers Handy
„Zu Hause kümmerte sich oft niemand um sie, die Schulen hatten geschlossen und an Informationen aus Nachrichten oder von offiziellen Stellen kamen sie nicht heran, da Einkaufscenter und Begegnungsstätten geschlossen hatten“, berichtet Joshua.
Damit entfiel für sie auch die Gelegenheit, sich in die öffentlichen WLAN-Netze einzuwählen. Oft ist das aber die einzige Möglichkeit, Kontakt mit Freunden übers Handy zu halten. Die wenigsten Jugendlichen über verfügen einen Handy-Vertrag.
Jugendliche versuchen, die Regeln einzuhalten
Auch das viel gepriesene Home-Schooling scheiterte und scheitert immer noch an den technischen Ausstattungen, die diese Jugendlichen Zuhause vorfinden. Videochats aus Grundschule, OGS oder KiTas sind daher kaum möglich. Sich selbst zu strukturieren und Unterrichtsmaterial eigenständig zu bearbeiten, das schaffen viele Kinder und Jugendliche nicht, wenn sie es nicht gelernt haben.
„Mittlerweile kennen alle meine Jugendlichen die Gefahren des Virus. Und auch die Coronaschutzregeln, und sie halten sich auch daran, soweit ich das sehen kann“, erwähnt Joshua. „Das gelingt ihnen nicht immer, ebenso wenig wie auch Erwachsene nicht immer daran denken, aber sie versuchen es zumindest.“
Offene Jugendarbeit ist aktiv
Ihnen fehlt jedoch der Austausch untereinander sehr. „Vielleicht sogar mehr als Erwachsenen, die eine andere Alltagsstruktur haben“, meint Jacky. „Wir Streetworker sind zwar auf den Messengern erreichbar. Aber eine offene Kinder- und Jugendarbeit ist aktiv und nicht passiv, so wie wir sie im Moment vorfinden. Jugendliche kommen nicht zu uns und erzählen uns direkt ihr Problem. Das finden wir beispielsweise erst beim gemeinsamen Kickern über Umwege heraus, wenn sie etwas lockerer geworden sind“, fährt sie fort.

Im letzten Sommer durften die beiden Streetworker Jacky Möller und Joshua Hildebrand „ihre“ Jugendlichen noch treffen und mit ihnen reden
Nun werden sie mit all ihren Problemen, die die Pubertät und das damit verbundene „Leben in zwei Welten“ mit sich bringen, allein gelassen. Mit Freunden dürfen sie sich nicht treffen, somit fehlen der Austausch und auch die Reibereien, die zum Erwachsenwerden und zum Ablösen vom Elternhaus einfach dazugehören.
In der Corona-Krise oftmals auf sich allein gestellt
In dieser Situation sind Jugendliche definitiv große Verlierer. Hinzu kommt, dass Kinder und Jugendliche aus schwierigen familiären Verhältnissen oft nach draußen geschickt werden. Dort sind sie den ganzen Tag auf sich gestellt. Hier sind weitere Probleme vorprogrammiert, die im regulären Schulbetrieb Lehrerinnen und Lehrern auffallen würden.
„Ich kenne diese Problematik und mir blutet das Herz, wenn ich unsere ‚Bezugsjugendlichen‘, für die das Leo fast ein zweites Zuhause geworden ist, draußen stehen sehe und nicht zu ihnen gehen und mit ihnen reden darf“, bedauert Jacky. Zum Glück ist sie zurzeit nicht jeden Tag vor Ort, denn sie hilft momentan beim KOD, dem Kommunalen Ordnungsdienst aus.