Die Haushaltsrede von Bürgermeister Tobias Stockhoff anlässlich der Einbringung des Doppelhaushaltes 2020/2021 der Stadt Dorsten am Mittwoch,18. September 2019
(es gilt das gesprochene Wort).
Liebe Kolleginnen und Kollegen aus Rat und Verwaltung, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, sehr geehrte Damen und Herren,
dass ein Haushalt und ein Stellenplan komplexe Gebilde sind, erkennen wir, die Mitglieder des Rates, spätestens dann, wenn uns der viele hundert Seiten starke Haushaltsentwurf und der dazugehörige Stellenplan vorliegen.
Auch die Bürgerinnen und Bürger stellen nicht selten bei einem Blick in den Haushaltsplan fest, dass das kein normales Alltagsgeschäft ist.
Die Kollegin und die Kollegen im Verwaltungsvorstand legen zwar mit mir die inhaltlichen Rahmen für den Haushalts- und den Stellenplan fest, aber die eigentlich Arbeit dahinter findet in der Kämmerei, im Hauptamt und in den Fachämtern statt.
Bereits viele Monate vor dieser Einbringung stellen die Kolleginnen und Kollegen in der Fachverwaltung und der Querschnittsverwaltung die Unterlagen zusammen, bewerten und legen uns diese ersten Einschätzungen zur Beratung vor.
Auch auf den Personalrat und die Gleichstellungsbeauftragte kommen in dieser Phase besondere Aufgaben bei der Erstellung der Stellungnahmen zum Stellenplan zu.
Aus diesem Grund geht heute mein erster Dank an diese Kolleginnen und Kollegen in der Fachverwaltung, die mit der eigentlichen Arbeit mit diesem Doppelhaushalt und dem dahinterstehenden Stellenplan sowie den Zielvorgaben und den Arbeitsprogrammen der Stadtämter für die Jahre 2020 und 2021 betraut waren und noch weiter betraut seien werden.
Es ist nun nicht die Aufgabe des Bürgermeisters, die Zahlen und den Vortrag des Kämmerers zu wiederholen. Vielmehr möchte ich heute versuchen, aufzuzeigen, wie wir als Bürgerschaft, als Stadtrat und als Verwaltung gemeinsam einen ebenso nachhaltigen wie erfolgreichen Weg zum Wohle der Menschen in unserer Stadt weitergehen sollten.
Zahlen und Fakten
Liebe Kolleginnen und Kollegen, beim diesjährigen Wirtschaftsempfang habe ich mir erlaubt, acht Zahlen zu nennen:
Arbeitslosenquote Ende Juni: 2014: 8,5 % / Ende Juni 2019: 6,3 % Das sind über 800 Menschen mehr, die nun in Lohn und Brot sind!
Erstmalig liegt Dorsten damit unter dem NRW-Schnitt!
Arbeitsplätze (svpf.): Ende Juni 2014: 16.509 / Ende Juni 2019: über 19.000 Das sind 2500 Arbeitsplätze in Dorsten mehr!
Schuldenstand: Ende 2014: 345 Mio. Euro / Ende 2019 (erwartet): 251 Mio. Euro
Das sind voraussichtlich rund 93 Mio. Euro weniger Schulden!
Gewerbesteuer: 2014: 20 Mio. Euro / 2019 (erwartet): 27,5 Mio. Euro
Das sind rund 1/3 mehr Gewerbesteuereinnahmen!
Ergänzen möchte ich diese Zahlen um ein paar weitere Punkte:
- Sanierung der Urbanusschule und der Grünen Schule
- Umzug der Agatha-Schule in sanierte Räumlichkeiten
- Einrichtung der Neuen Schule unter modernen Gesichtspunkten
- zahlreiche Sanierungs- und Erweiterungsmaßnahmen an unseren Schulen (Petrinum, Albert-Schweitzer-Schule, Wilhelm-Lehmbruck-Schule, …)
- Digitalisierung unserer Schulen
- Bau von vier neuen Kindertagesstätten
- Erweiterung von KiTas um zusätzliche Gruppen
- ein zukunftsfähiges Bibliothekskonzept
- Erhöhung der Unterhaltungsansätze im Tief- und Hochbau
- Übernahme und Sanierung der Zechenbahnbrücke
- Neugestaltung der Innenstadt und des Georgplatzes
- Neugestaltung des Bürgerparks Maria Lindenhof
- Sanierung des Bahnhofs
- Erweiterung und Sanierung des Treffpunktes Altstadt
- Eröffnung des LEOs
- Zusätzliches Außengelände am Gymnasium Petrinum
- Erarbeitung eines nachhaltigen Spielplatzkonzepts
- Sanierung und Optimierung von bisher fünf Sportanlagen – drei weitere in der Planung
- Teilnahme am Projekt „Vital.NRW“
- Professionelle und nachhaltige Bewältigung der Flüchtlingswelle
- nahezu ein Komplettaustausch des Fahrzeugparks unserer Feuerwehr durch neue und moderne Einsatzfahrzeuge
Bürgerengagements und der Bürgerbeteiligung
Besondere Erwähnung sollte aus meiner Sicht hier die Förderung des Bürgerengagements und der Bürgerbeteiligung finden:
- Einführung des Büros für Bürgerengagement, Ehrenamt und Sport
- bürgerschaftliche Stadtteilkonferenzen in ALLEN elf Stadtteilen
- Ideenfabrik Stadtsfeld oder die Initiative Zukunft Marienviertel
- Arbeit des Ellerbruchtreffs
- Vätertreff in Holsterhausen/Rhade
- Spielplatz Friedensplatz
- Bürgerbudget
- Bürgerkommune Dorsten
- Beteiligungskonzept
Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das ist keine Leistung eines Einzelnen, der Verwaltungsführung, einer einzelnen Partei oder Fraktion.
All das haben wir, die 76.000 Bürgerinnen und Bürger, die rund 1200 Kolleginnen und Kollegen in der Stadtverwaltung und in den städtischen Betrieben sowie wir, der Stadtrat unserer Stadt, erreicht.
Dafür danke ich allen Beteiligten von Herzen!Die Ausgangslage ist somit wahrlich nicht schlecht und hat sich durch unsere gemeinsamen Anstrengungen seit 2014 an vielen Stellen deutlich verbessert.
Neue Herausforderungen
Durch unser Wirken sind wir natürlich nicht arbeitslos geworden. Es sind neue Herausforderungen hinzugekommen. Problemstellungen, bei denen wir uns allerdings fraktionsübergreifend auf den Weg gemacht haben, um eine gemeinsame Strategie für die Menschen in unserer Stadt zu entwickeln. Gemeinsam deshalb – weil es uns um die Sache geht und nicht um Symbolpolitik oder parteipolitisches Getöse.
Und das alles, ohne dabei die jeweilige politische Grundorientierung ablegen zu müssen.
Klima-, Umwelt- und Naturschutz
Stellvertretend möchte ich hier den Klima-, Umwelt- und Naturschutz benennen.
Ich finde, die rund 200 Schülerinnen und Schüler haben uns mit ihrer Aktion „abi for future“ so nachdrücklich wie glaubhaft vor Augen geführt, dass wir – nicht nur die Politik – sondern wir, die Stadtgesellschaft, gefordert sind, mehr Tempo in diesen Fragestellungen zu machen.
Diese Schülerinnen und Schüler haben sich nicht der nicht selten mehr als scheinheiligen Kritik ausgesetzt „Ihr wollt ja nur den Unterricht umgehen!“.
Diese jungen Dorstenerinnen und Dorstener haben nach der Schule, in ihrer Freizeit, sichtbar, konkret und persönlich wie gesellschaftlich Veränderungen angemahnt.
Ich glaube, dass wir in Dorsten gar nicht schlecht auf diesem Weg unterwegs sind.
Wir haben viele Bürgerinnen und Bürger, Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung und Politikerinnen und Politiker, die seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet aktiv sind. Ihnen möchte ich an dieser Stelle herzlich danken! Wir fangen nicht bei null an, sondern haben die ersten Grundlagen bereits vor über 30 Jahren in Dorsten legen können.
Erfolge
Als Westfalen sind wir vielleicht manchmal zu zurückhaltend bei der Darstellung unserer Erfolge, wie z. B. Ausweitung von Ladesäulen, energetische Sanierung von zahlreichen Gebäuden oder die personelle Aufstockung der Baumpflege.
Wer hat beispielsweise wirklich in diesem Zusammenhang wahrgenommen, dass wir durch moderne LED-Technik bei der Straßenbeleuchtung – hier z. B. im Bereich des Gemeindedreiecks bzw. an den Hauptstraßen – am Ende nicht nur erhebliche Mengen CO2, sondern auch Geld einsparen?
Trotz aller Erfolge, müssen wir gemeinsam besser und schneller werden. Nicht ideologisch, sondern sachbezogen.
Nicht symbolisch, sondern strategisch. Nicht aktionistisch, sondern nachhaltig.Ich bin mir sicher, dass uns das nicht nur in dieser Frage gelingen wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich spüre in unserer Stadt, dass immer mehr Menschen verstehen und leben, dass eine Stadtgesellschaft mehr ist als die Gemeinschaft von Kunden und dass eine Verwaltung und die Politik mehr sind als Dienstleister.
Große Familie mit 76.000 Mitgliedern
Je mehr wir verstehen, dass wir eine große Familie mit 76.000 Mitgliedern sind, umso erfolgreicher wird die Entwicklung unserer Stadt sein.
Eine Stadtgesellschaft ist wie eine Familie eine Solidargemeinschaft: mit unterschiedlichen Charakteren mit unterschiedlichen Bedürfnissen oder Bedarfen mit Familienmitgliedern, die immer bedienen mit Familienmitgliedern, die sich immer bedienen lassen mit Integrationsfiguren mit Reizfiguren mit Spaltern mit Vermittlern Gemeinsam arbeiten wir aktuell daran, dass wir von „die Stadt“ zu „unsere Stadtfamilie“ kommen.
Wie in einer guten Familie braucht auch das seine Zeit.
Es wird auch mal lauter werden und „herzhafter“ zugehen. Unsere Aufgabe als Stadtrat ist es, so klug wie nachhaltig die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bekommen.
In einer guten Familie werden die Schwächsten nicht vergessen.In einer guten Familie ist jeder zum Mitmachen angehalten.
In einer guten Familie handelt man nachhaltig und zum Wohle der nachfolgenden Generationen.
Jeder wird in seiner Familie schon einmal erlebt haben, dass nicht immer eine Entscheidung des Familienrates so ausfällt, wie man es gerne gehabt hätte.
Ähnlich erlebe ich in vielen Gesprächen und Diskussionen, dass nicht selten der Vorwurf erhoben wird, dass sich „die Stadt“ da ordentlich Geld einstreicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, an diesen Sätzen erkenne ich, dass unser Handeln in Verwaltung und Politik von nicht wenigen Menschen als nicht zum Wohl der Stadtfamilie betrachtet wird.
Man versteht das Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung eher wie eine Geschäftsbeziehung. Stadtgesellschaft ist aber keine Geschäftsbeziehung. In einer Gesellschaft ist man ein Teil dieser staatlichen Ebene.
Jede Dorstenerin und jeder Dorstener kann sagen: Ich bin ein 1/76.000 dieser Stadt.
Stadtfamilie ist Großfamilie
Früher wurde nicht selten für Ratsherren der Begriff Stadtväter benutzt. Verstehen wir uns als Stadtmütter und Stadtväter, die wie fürsorgliche Eltern in einer Familie versuchen, den Ansprüchen und Bedürfnissen gerecht zu werden, zu vermitteln, Wissen weiterzugeben, zu ermuntern, zu ermahnen, Hilfestellungen zu geben, zuzuhören, gerecht zu sein, bei Entscheidungen an unsere Kinder und deren Nachkommen zu denken? Bevor ein Missverständnis aufkommt.
Die Bürgerinnen und Bürger sind nicht unsere Kinder. Hier würde das Bild definitiv hinken. Eine Stadtfamilie ist mehr die Großfamilie mit Tante, Onkel, Großeltern und der gesamten Verwandtschaft. Wir übernehmen als Stadtrat nur stellvertretend Rollen. Und zwar Rollen und die damit verbundene Verantwortung auf Zeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht selten diskutieren Familienräte darüber, ob man sich wohnlich verändern will. Ein Haus baut, eine Wohnung kauft oder in eine andere Wohnung umzieht.
Auch dabei kommen unterschiedliche Interessen auf den Tisch und werden diskutiert.
Manchmal mag bei solchen Familienzusammenkünften am Ende sogar eine Mehrheitsentscheidung stehen. Aber nur eine törichte Familie würde eine Entscheidung treffen, die nicht nachhaltig ist oder am Ende den nachfolgenden Generationen aufgebürdet wird.
Keine vernünftige Familie würde sich finanziell übernehmen, Schulden machen, die man später nicht zurückbezahlen könnte. In den nächsten Monaten können wir gemeinsam unter Beweis stellen, dass wir wie gute Eltern mit dem Familienrat nachhaltige Entscheidungen treffen wollen, ob ökologisch oder ökonomisch.
Entscheidungen, die gerecht sind und niemand alleine die Lasten tragen lassen. Entscheidungen, die verständlich sind.
Entscheidungen, die die nachfolgenden Generationen in den Blick nehmen.
Zum Abschluss dieses Vergleiches möchte ich noch auf einige besondere Familienmitglieder eingehen.
Aufgabenverteilung und Ehrenamt
Jeder weiß, dass jedes Familienmitglied bestimmte Aufgaben hat. Nicht selten durch den Familienrat beschlossen. Bei größeren Familien kommt es schon mal vor, dass es eine Art rollierendes System gibt.
Da muss jede Woche ein anderes Mitglied den Rasen mähen. Wenn man dann den Rasen nicht mähen möchte, dann ist vielleicht ein anderes Mitglied dazu bereit und man gibt diesem Familienmitglied etwas für die Übernahme der Aufgabe.
Auch bei der Stadtfamilie gibt es solche Menschen, die ehrenamtlich, z. B. bei der Freiwilligen Feuerwehr, oder hauptamtlich, z. B. im Rathaus oder beim Bauhof, Arbeiten für uns übernehmen.
Unsere Aufgabe als Stadtrat – also als Stadtfamilienrat – ist es nun, klug zu bewerten, wie die Aufgabe erledigt wird, ob die Entschädigung angemessen ist.
Wenn die Leistung zwar sehr gut ist, aber die Entlohnung oder die Kapazitäten zu niedrig sind, werden uns irgendwann Familienmitglieder verlassen.Wenn die Leistungen nicht ausreichend sind, aber die Entlohnung nach Meinung der anderen Familienmitglieder unangemessen ist , dann werden wir dies auch als Familienrat gespiegelt bekommen.
Genau in diesem Spannungsbogen befinden wir uns als Stadtrat. Wir, Stadtrat und Verwaltungsleitung, müssen sehr genau hinschauen,
- wo wir mit Personal nachsteuern müssen
- wo wir Leistungen einschränken müssen
- wo wir Leistungen ausweiten müssen
- wo sich Aufgaben und Komplexität verändert haben.
Vor allen Dingen müssen wir schauen, dass durch Wahlkampfgetöse nicht die Probleme bei den leiseren Stimmen untergehen und am Ende nur die lauten Stimmen am Tisch gehört und bedient werden.
Denn oft sind es nicht die Lauten, die am Ende die größte Last tragen. Nicht selten sind es die, die nicht unter der Last stöhnen können, weil sie keine Zeit dafür haben. Schauen wir also sehr genau hin.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, dass uns das Bild der Stadtfamilie in den nächsten Monaten bis zur Haushaltsverabschiedung im November helfen wird, gute und nachhaltige Entscheidungen für die Menschen in unserer Stadt zu treffen.
So wie ich unseren Stadtrat in den letzten Jahren erlebt habe, bin ich mir sicher, dass wir am Ende in einem Wettbewerb der möglichen Ansätze nach Diskussionen und Abwägungen gute Entscheidungen gemeinsam zum Wohle der Stadtfamilie Dorsten treffen werden.
Herzlichen Dank für Ihre Arbeit für unsere Stadtfamilie Dorsten mit ihren wunderbaren 76.000 Familienmitgliedern – die Dorstenerinnen und Dorstener!
Tobias Stockhoff