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Project:Flow und das Gedenken: „Wie kann man das Grauen sichtbar machen?“

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Es war kein gewöhnlicher Auftrag, den das Musiker- und Künstlerduo Project:Flow von der Stadt Dorsten erhielt: Eine audiovisuelle Gedenkinstallation zum 80. Jahrestag der Bombardierung Dorstens und Wulfens im Zweiten Weltkrieg – am Ort des Geschehens, mit historischem Material, für ein Publikum zwischen stillem Gedenken und abendlichem Wochenendtrubel.

„Wir haben uns viele Gedanken gemacht, in welcher Form wir das am wirkungsvollsten umsetzen könnten“, sagt Guido Harding, der zusammen mit Dr. Stefan C. Maus das Projekt realisierte. „Es war uns wichtig, nicht nur eine dokumentarische Wiedergabe zu liefern, sondern eine künstlerische Form zu finden, die berührt – ohne zu überfordern.“

Ein Ort mit Geschichte – und Tücken

Nach intensiven Überlegungen fiel die Wahl auf das Alte Rathaus in der Dorstener Altstadt. „Es war eines der wenigen Gebäude, das den Angriff überstanden hat – beschädigt, aber nicht zerstört. Das macht diesen Ort besonders symbolisch“, erklärt Harding. Zudem sei der Marktplatz am Samstagabend ein belebter Ort, „wo wir möglichst viele Menschen erreichen konnten – auch jene, die nicht gezielt zu einer Gedenkveranstaltung kommen.“

Doch das Gebäude stellte Project:Flow vor technische Herausforderungen: „Die Fassade hat kaum zusammenhängende Flächen. Viele Fenster, viele Bögen – das erschwert die Lesbarkeit von Projektionen“, so Harding. Nur der mittlere Bereich sei für Detailansichten und Texte wirklich geeignet gewesen. Die Bildauswahl wurde deshalb gezielt darauf abgestimmt, dass die wesentlichen Informationen zentral platziert sind.

Das Alte Rathaus 1945 – von Bomben beschädigt, aber nicht zerstört. Foto: Stadtarchiv

Technik gegen das Licht

Ein weiteres Problem war das helle Licht auf dem Marktplatz – eine Sicherheitsanforderung, die nicht verhandelbar war. „Wir konnten die Beleuchtung nicht dimmen oder abschalten“, erzählt Harding. Die Lösung: Ein Hochleistungsbeamer, der selbst gegen die helle Umgebung durchsetzen konnte, was gezeigt werden sollte. Hinzu kamen zehn funkgesteuerte Scheinwerfer, die gezielt unter den Bögen und in den Fenstern positioniert wurden, um die visuelle Wirkung zu verstärken.

Zwei Versionen – zwei Zielgruppen

Das Konzept sah zwei unterschiedliche musikalische Fassungen vor – beide rund sechs Minuten lang, mehrfach wiederholt. Die erste war bewusst zurückhaltend: „Viele der Zuschauer kamen direkt vom Gedenkgottesdienst. Das waren überwiegend ältere Menschen. Wir wollten ihnen Raum zum Erinnern geben, ohne sie emotional zu überfordern.“

Die zweite Version richtete sich an das Publikum, das eher zufällig auf dem Marktplatz war – vor allem jüngere Menschen aus der Gastronomie ringsum. Diese Fassung begann mit einem Herzschlag, ging in rhythmisch hämmernde Techno-Klänge über und verstärkte so die emotionale Wucht der Bilder. „Wir wollten Aufmerksamkeit schaffen, nicht abschrecken. Das hat funktioniert – viele blieben stehen, sahen zu, hörten hin.“

Aus einem britischen Bomber gefilmt, sieht man Bomben auf die Lippeaue niedergehen. Das Gebäude in der Bildmitte ist die Heil- und Pflegeanstalt Maria Lindenhof, am unteren Bildrand sieht man den Kanal.

Vom Alltag in den Ausnahmezustand

Die Dramaturgie beider Versionen folgte einem klaren Ablauf: Zunächst zeigten die Künstler farbige Aufnahmen der Stadt vor der Zerstörung, begleitet von kurzen Informationstexten. Dann folgten historische Filmaufnahmen von Bombern und Luftangriffen, unter anderem Archivmaterial der britischen Luftwaffe. Den Abschluss bildeten Bilder des brennenden Rathauses und Schwarz-Weiß-Fotografien der verwüsteten Altstadt. „Wir wollten einen Bogen schlagen vom Alltag in den Ausnahmezustand – von Leben zu Vernichtung.“

Kunst als Zugang zur Geschichte

Für Project:Flow war das Projekt weit mehr als ein Auftragswerk. „Dieser Auftrag war für uns eine neue Herausforderung und hat viele Stunden Zeit in Anspruch genommen – aber auch ebenso viele neue Erfahrungen gebracht“, sagt Harding rückblickend. „Wir mussten lernen, wie man mit historischem Material künstlerisch verantwortungsvoll umgeht – wie man Emotionen weckt, ohne zu dramatisieren.“

Dass das Konzept aufgegangen ist, spürten die beiden Künstler am Abend selbst: „Viele blieben lange stehen, schauten in Stille – für uns war das die größte Bestätigung.“

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