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Lebensfreunde schenken Lebensfreude

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Dorsten. Traurigkeit schleicht sich in das Leben. Nistet sich ein. Kommt, um zu bleiben: Die Rede ist von einer Depression.

Corona setzt Betroffenen noch mehr zu – und die Anzahl Betroffener steigt. Das merkt auch Wolfgang Chlebna, der vor sieben Jahren die Selbsthilfegruppen Lebensfreunde in Haltern am See und Dorsten gründete.

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„Unsere Gruppe hat den Sinn, aus einem Ich- ein Wir-Gefühl zu machen“, erklärt der Gründer. So schenken die Lebensfreunde Lebensfreude. Wolfgang Chlebna war einst selbst in eine schwere Depression hineingerutscht. Hilfe brachte ihm erst eine Therapie: „Die Krankheit kann jeden treffen“, betont er.

Weltmeister im Verstellen

„Das Heimtückische: Man sieht uns unsere Krankheit nicht an. Wir sind Weltmeister im Verstellen“, meint er. Oft verstellen sich die Menschen sehr lange und holen sich keine Hilfe, bis sie am Boden liegen und akzeptieren müssen, dass sie krank sind. „Die dunkle Jahreszeit ist nicht gerade förderlich“, erklärt er. „Und Corona erschwert die Situation.“

Betroffene tun sich schwer damit, sich selbst aufzuraffen und zu motivieren. Wenn dann noch feste Termine und Strukturen – wie Gruppen-Sport oder Sport im Fitness-Studio – wegbrechen, zieht das einen weiten Kreis nach sich.

Laut Deutscher Depressionshilfe wird in einer Depression alles Negative im Leben vergrößert wahrgenommen und ins Zentrum gerückt, so auch die Sorgen und Ängste wegen des Corona-Virus.

Tagesstruktur und Aktivität sind wichtig

„Jetzt kann man nicht mal irgendwo hingehen und einen Kaffee trinken“, meint Chlebna. Auch wenn es schwerfalle, sollten Betroffene jeden Tag zur selben Zeit aufstehen und eine feste Struktur bewahren, rät der 65-Jährige. “Es ist wichtig, aktiv zu bleiben”. Dabei kann das Verständnis der Partner helfen. Sicher braucht es das Verständnis, aber manchmal auch einen kleinen Schubser, wenn der Betroffene gar nichts mehr macht.

Was Betroffenen helfen kann, aktiv zu bleiben? Die linke Hosentasche mit 10 Erbsen füllen. Jede einzelne steht für eine Aufgabe am Tag. Mit jeder bewältigten Aufgabe wandert eine Erbse in die rechte Hosentasche.

Lebensfreunde bekommen Zulauf

Beinahe täglich bekommt Wolfgang Chlebna Anrufe, teilweise telefonierte er in diesem Jahr bis zu vier Stunden pro Tag: „Die Menschen haben Redebedarf. Allein heute erhielt ich drei Anrufe“ – wir befinden uns zum Zeitpunkt des Gesprächs noch in den Morgenstunden.

Es gibt sechs Gruppen der Lebensfreunde mit je sieben Personen in Haltern und Dorsten. Maximal acht sind erlaubt. „Wir halten die Gruppen bewusst klein.“ Allein in diesem Jahr kamen zwei neue Gruppen sowohl in Dorsten als auch in Haltern hinzu.

Alles bleibt in der Gruppe

Wolfgang Chlebna selbst war damals in einer Selbsthilfegruppe, die ihm zu groß war und in der er sich Fehl am Platze fühlte. Aus diesem Grund gründete er die Lebensfreunde-Selbsthilfegruppen für Menschen mit Depressionen, Traumata und Angsterkrankungen.

Alles, was hier besprochen wird, bleibt in der Gruppe und dringt nicht nach außen. Andernfalls muss die Person die Gruppe verlassen. „Bei uns kann niemand was Falsches sagen oder machen“. Junge und ältere Menschen kommen her. „Man sollte nichts in sich hineinfressen. Wir nehmen jeden ernst.“ Und das ist wichtig. Oft reagieren Betroffene plötzlich aufbrausend und sind im Ton unwirsch. Aus reiner Verzweiflung.

Depression kann tödlich enden

„Depression kann tödlich sein. In zwei Fällen haben sich Betroffene unserer Gruppen das Leben genommen“. Das zeigt, wie wichtig Aufklärung ist.

Wolfgang Chlebna wünscht sich, dass die Problematik im Gesundheitswesen noch ernster genommen wird. Nach wie vor sind die Wartezeiten für Neurologen, Psychiater und Psychotherapeuten zu lang. Es gibt gar Forderungen, die Therapiestunden zu kürzen, um mehr Menschen behandeln zu können: “Wir brauchen mehr Psychotherapeuten, kürzere Wege und keine kürzeren Stunden. Mit einem Beinbruch wird man auch sofort behandelt“, vergleicht Chlebna.

Und nach wie vor gibt es Vorurteile: Ein Depressiver richtet seinen „Hass“ nie gegen andere, nur gegen sich selbst. “Der Pilot, der sein Leben beendete, litt nicht nur an einer Depression, wie es in den Medien kommunziert wurde“, erklärt Chlebna und möchte Vorurteile aus dem Weg räumen.

Auch hier braucht es Aufklärung. Da die Krankheit vielen suspekt ist und Freunde sich oft von Betroffenen abwenden.

Eine Aufklärungskampagne ist geplant

Nach wie vor ist Aufklärung entscheidend, um das Thema in der Gesellschaft zu platzieren. Davon sind die Mitglieder der Lebensfreunde überzeugt.

Mit einer Aufklärungskampagne im Oktober 2021 – sie sollte eigentlich in diesem Jahr ins Leben gerufen werden – möchten die Lebensfreunde aus Dorsten und Haltern auf ihr Thema aufmerksam machen. Prominente Unterstützung hat sich auch schon angekündigt.

Wer das Thema verstehen möchte und keinen Zugang findet, dem empfiehlt der Dorstener das Buch „Mit dem schwarzen Hund leben“. Das Bilderbuch für Erwachsene erklärt fernab von Fachterminologie auf einfachem Wege, wie ein Depressiver fühlt.

Keiner ist freiwillig depressiv

„Keiner ist freiwillig depressiv. Auch mit Depression kann das Leben wunderschön sein“, betont der Dorstener. Auch Chlebna selbst fällt manchmal in sein dunkles Loch zurück, doch er hilft anderen, was ihm hilft: “Bei uns fließen Tränen und bei uns wird gelacht”, erklärt er. Und keiner müsse sich erklären. Einer redet, die anderen hören zu und verstehen.

Viele Depressive denken oft: „Die können mir nicht helfen.“ Sie denken, sie seien körperlich krank, warten im Krankenhaus auf eine “Zauberpille”, um wieder gesund zu werden. Das tritt aber nicht ein, weil das Leiden dann psychosomatisch sei: “Es gibt Krücken, die man einem Kranken geben kann, laufen muss er dennoch allein“, betont Wolfgang Chlebna. Hier gibt es weitere Infos und Kontakt zur Selbsthilfegruppe Lebensfreunde.

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