Im vierten Teil seiner Reise durchs Baltikum reist Alexander Fichtner nach Skandinavien. Über den Finnischen Meerbusen geht es nach Helsinki.
Tallinn. Der Wecker klingelt um vier Uhr morgens. Quer durch die menschenleere Stadt geht es zum Hafen. Von dort legen die Fähren nach Skandinavien ab. Es geht mit dem Schiff nach Helsinki in Finnland. In der Nähe des Hafens eine Überraschung: Ein kleines Gefährt wartet an einer roten Ampel. Es ist ein Lieferroboter, der wohl ein Frühstück zum Kunden bringen soll. Die Ampel springt auf Grün und der kleine technische Helfer macht sich auf den Weg über die Straße. Die ersten Schiffe sind erkennbar und man merkt, dass die Stadt aufwacht.

Fährverkehr ist hier wie Bus fahren zwischen Tallinn und Helsinki. Online eine Fahrkarte gekauft, geht es zu einen der unzähligen Fahrkartenautomaten. Den QR-Code am Handy gescannt, kurz die Identität bestätigt, bekommt man sein Hin- und Rückreise Ticket ausgedruckt. Von hier aus geht es durch den noch leeren Terminal zum Schiff. Einmal die Karte durchgeschoben am Drehkreuz und schon ist man auf der Fähre nach Skandinavien.

Auf nach Skandinavien
Pünktlich um kurz vor Fünf legt das Schiff ab. Fährschiffe sind schwimmende Kleinstädte. Restaurants, Casinos, Supermärkte, ja sogar Friseur und Beautysalons befinden sich an Bord. Auf der Rückreise wird es dann aber noch verrückter. Nach einem ausgiebigen Frühstück geht es raus an die Reling. Die meisten Passagiere sind unter Deck und dösen in den Sitzecken oder sitzen in den Restaurants. Nach einem Spaziergang über das Deck, soweit es überhaupt möglich ist, geht es wieder in den Bauch des Schiffes. Einen ruhigen Platz finden und ein Nickerchen machen, bis die Fähre anlegt.

Eine Durchsage informiert, dass wir bald in Helsinki einlaufen. Also noch mal raus aufs Aussichtsdeck und einen ersten Blick auf Skandinavien werfen. Vorbei an kleinen Inseln geht es in den Hafen. Sobald das Schiff festgemacht ist, setzt die Gangway an und es wird hektisch an Bord. Jeder will in die Stadt. Runter vom Boot und Willkommen in Helsinki, der Hauptstadt von Finnland.
Neue Stadt neue Entdeckungen
Zwei Ziele gibt es zu besuchen und zu fotografieren. Die übrige Zeit einfach mal in einer neuen Stadt vertrödeln und sich treiben lassen. Nach kurzer Orientierung los zum Bus und mit dem in die Richtung U-Bahn Station. Einmal mit der Metro umsteigen und ich bin da. Ein angeblich architektonisch interessantes Gebäude zeigt sich von seiner uninteressanten Seite. Das Asemapäällikönhovi Building (Es ist kein Rechtschreibfehler, die Anlage heißt wirklich so). Das brutalistische Gebäude aus dem Jahr 1976 überzeugt nicht. Nicht besonders beeindruckt geht es weiter.

Da gibt es nur zwei feste Reiseziele, die man in einer unbekannten Stadt in Skandinavien sehen will und das erste ist ein Reinfall. Also geht es weiter zum nächsten Ziel. Durch eine unauffällige Wohngegend, die aber immer auffällt, das einfach Felsen in den Grünflächen aufragen, bekommt man ein nordeuropäisches Gefühl. Die Felsen fügen sich harmonisch ins Stadtbild ein und liegen hier wahrscheinlich schon seit der letzten Eiszeit.

Temppeliaukion kirkko

An der Bahn Station angekommen geht es die Straße hoch zur Temppeliaukion kirkko (Auch das ist kein Rechtschreibfehler). Die Felsenkirche ist eins der bekanntesten Bauwerke in Skandinavien. Sie wurde in den massiven Granitfels hineingebaut und wurde 1969 fertiggestellt. Das Innere gleicht einem Gewölbe.
Das Kupferdach besteht aus 180 Fenstern und die Wände wurde zu großen Teilen in ihren natürlichen Fels belassen. Das macht sich in einer bemerkenswerten Akustik bemerkbar. Die Felsenkirche ist deswegen ein beliebter Konzertsaal mit bis zu 500.000 Besucher jährlich. Die Kirche hat wirkliche eine bemerkenswerte Stimmung. Es wirkt wie eine bewohnte Höhle auf einem fremden Planeten. Die Felskirche könnte das Filmset eines Science-Fiction-Films sein.

In der evangelischen Kirche finden noch immer Gottesdienste statt. So wie heute auch. Eine geschlossen Gesellschaft versammelt sich im Vorraum der Kirche. Es sind Gäste für eine Trauung, die gleich vollzogen werden soll. Die Besucher der Kirche werden gebeten, das Gewölbe zu verlassen.

Ohne Ziel zum Ziel
Ohne zu wissen, wo es hingehen soll, geht es erst mal Richtung Hauptbahnhof. Der Hunger treibt in ein kleines Café und man merkt schnell, das Finnland im Vergleich zu Deutschland etwas kostspieliger ist. Ein Stück Mandelkuchen und ein Espresso mit Wasser kosten 14 Euro. Schlimm, wenn dann der Espresso dazu noch schlecht schmeckt.

Nun geht es ins Grüne in die Parks. Ausgangspunkt ist das Sibelius-Denkmal. 600 Stahlröhren bilden eine abstrakte Form, die an Orgelpfeifen erinnern. Bei starken Wind von der Küste erklingen die Röhren. Sie pfeifen dann in unterschiedlichen Tonhöhen und geben dem Wind eine Stimme. Die meisten Touristen rufen oder singen in die Röhren, die den Klang wie ein natürliches Megaphone verstärken. Schnell werden die touristischen Musikaufführungen beim Betrachten des Denkmals unerträglich.

Runter zum Strand
Langsam geht es durch die Parkanlage dem Meer entlang runter zum Stadtstrand um hier den Tag ausklingen zulassen. Angekommen am Strand findet sich auf einem Felsen schnell ein ruhiges Plätzchen, um die Seele baumeln zu lassen und aufs Wasser zu schauen. Nach einer Stunde geht es nun zurück Richtung Hafen. Damit die Fähre nicht verpasst wird.

Wieder am Hafen gelangt man durch die Check-Inns auf das Schiff, was mich von Helsinki heimwärts nach Tallinn bringt. Doch jetzt wird es komisch. Das Schiff erscheint wie eine schwimmende Disco. Mehrere Tanzflächen, Bars und sogar ein Casino befinden sich im Innenraum. Es findet sich auch ein richtiger Supermarkt an Bord, indem es aber nur Tabakwaren, Alkohol und Süßigkeiten gibt. Kein Wunder, das viele Finnen bei dem heimischen Preisen regelmäßig mit der Fähre von Skandinavien aus übersetzen, um sich mit den Genussmitteln einzudecken. So gehts es auch gesamt feucht fröhlich zu an Bord.

Es geht raus ans Deck und wieder an die Reling, um das Meer und Sonnenuntergang zu genießen. Es wird einen bewusst, wenn nur noch Wasser um einen ist, wie groß die Welt ist. Die Fähre läuft ein in Tallinn und es geht zurück in Hotel. Denn morgen früh fährt der Zug von hier Richtung russische Grenze.

Im nächsten Teil geht es an die russische Grenze und in eine ehemals verbotene und geheime Stadt der UdSSR.
Die vorigen Teile findet ihr hier
Teil 1: Riga in einem neuen Klima
Teil 2: Rooftopping in Riga